2017-11-09 12:43:00

D: „Ein Seminar braucht schon eine gewisse Größe“


Riesige, neugotische Gebäude. Drinnen hohe Flure, Hunderte von Zimmern – aber nur eine Handvoll Bewohner. Manche Priesterseminare haben etwas Alptraumhaftes: Früher quirlte in ihnen das Leben, heute stehen sie fast leer.

Der Vatikan will das ändern, schreibt die französische Tageszeitung La Croix. Künftig sollen Seminare, in denen weniger als 17 oder 20 Anwärter aufs Priesteramt leben, geschlossen werden. Dafür soll sich auf der Vollversammlung der französischen Bischofskonferenz in Lourdes Jorge Carlos Patron Wong eingesetzt haben – der mexikanische Erzbischof ist Sekretär der vatikanischen Kleruskongregation.

„Nun, ich glaube, unter den Regenten und wohl auch unter den Bischöfen im deutschsprachigen Raum ist dieser Gedanke lange schon präsent.“ Das sagt uns an diesem Donnerstag Jesuitenpater Stefan Dartmann. Er leitet das deutschsprachige Priesterseminar „Collegium Germanicum et Hungaricum“ in Rom. „Ich weiß jetzt nicht genau, über welche Zahlen wir im Einzelnen reden – aber soweit ich verstanden habe, sind das durchaus Überlegungen, die in Deutschland auf offene Ohren treffen. Wahrscheinlich ist es noch einmal ein Anlass, jetzt auch Entscheidungen zu treffen.“

Dabei hat Dartmann gut reden: Sein traditionell von Jesuiten geleitetes „Germanicum“ in der Nähe der Piazza Barberini ist sozusagen ausgebucht. „Ich habe als Leiter eines recht großen Seminares in Rom (das kein deutsches, aber ein deutschsprachiges ist) eine völlig andere Ausgangsposition: Wir haben 66 Leute im Haus. Ich möchte mich also gar nicht über die deutschen Verhältnisse äußern, die ich nicht im Einzelnen kenne.“

Von Frankreichs 32 Priesterseminaren oder ähnlichen Ausbildungszentren haben derzeit nur 15 mehr als 17 Seminaristen oder Diakone in Ausbildung. Wenn 17 wirklich die Mindestzahl von Priesteramtskandidaten in einem Seminar sein sollte, dann müsste folgerichtig knapp die Hälfte der Häuser schließen. Allerdings: Erzbischof Patron selbst hat gar keine Zahl genannt; die Angabe „17 bis 20“ kommt von dem Weihbischof, der in Frankreich für die Priesterausbildung zuständig ist.

Dartmann will sich zur Lage in deutschen Seminaren nicht äußern. „Ich würde nur behaupten wollen: Ein Seminar, das doch letztlich noch das tridentinische Seminar ist, braucht schon eine gewisse Größe; ich hätte sie sogar bei über dreißig angeordnet. Ich weiß von Seminaristen, die aus recht kleinen Seminaren kommen, dass sie es doch manchmal als bedrückend erleben in so großen Häusern mit kleinen Gruppen und einem starken Betreuungsverhältnis, wo also mehrere Offizielle sozusagen den wenigen Seminaristen beim Essen tagtäglich gegenübersitzen. Das ist, glaube ich, für alle Beteiligten nicht unbedingt gut, und außerdem ist der Austausch unter denen, die im Seminar doch auf recht engem Raum leben, dann gering.“

Nichtsdestotrotz – wie sollen Bischöfe jetzt umgehen mit dieser Empfehlung, zu kleine Seminare doch lieber zu schließen? Noch mal ein Seitenblick nach Frankreich: In den sechs größten Priesterseminaren dort wohnt mehr als die Hälfte aller Priesteramtskandidaten. Den Großen geht’s gut, die Kleinen darben, mancher Bischof könnte das als Damoklesschwert über seinem Haupt empfinden.

„Damoklesschwert? Das klingt mir alles so negativ. Ich sehe Chancen darin, dass wir in dieser Situation zu neuen Formen finden – auch zu neuen Formen der Zusammenarbeit! Und es gibt natürlich Bischöfe, die sich fragen, ob überhaupt das alte Modell noch zeitgemäß ist und ob wir nicht vielleicht auch „Seminare des Volkes Gottes“, wie es jemand einmal genannt hat, oder ähnliche Dinge gründen müssen – wo Leute, die in irgendeiner Form später zusammenarbeiten, von vornherein ausgebildet werden, wo also Laien und Priester zusammen ausgebildet werden. Ich finde, man sollte das sehr offen und vorbehaltslos diskutieren!“

Und noch ein Punkt liegt Dartmann, der bis 2015 Provinzial der deutschsprachigen Provinz der Jesuiten war, am Herzen:

„Dass internationale Seminare auch einen Vorteil haben und dass es gut ist, wenn zumindest einige Priesteramtskandidaten in einem internationalen Kontext ausgebildet werden. Das kann als Werbung pro domo (für das eigene Haus) aufgefasst werden, ist aber wirklich ernst gemeint, weil ich befürchte: Länder, die sich in der Ausbildung nur noch auf die eigenen Seminare beschränken, verlieren auch eine bestimmte Weite.“

Ein Blick auf die Zahlen in Deutschland, wie die deutschen Bischöfe sie in ihrer jüngsten Statistik präsentieren: Danach geht die Zahl der Priesteramtskandidaten bundesweit zurück. Doch Ende des Jahres 2016 konnten für die deutschen (Erz-)Diözesen 103 Neuaufnahmen verzeichnet werden – im Vergleich zum Jahr 2015 sind dies sieben Männer mehr. Auch die Zahl der Neupriester stieg von 58 im Jahr 2015 auf 77 im Jahr 2016. Doch insgesamt geht die Zahl der Seminaristen zurück, von 573 (2015) auf 546 (2016). Und ähnliches ist bei der Priesterausbildung der zur Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) gehörenden Gemeinschaften festzustellen.

Was konstant steigt, ist die Zahl der Laien im pastoralen Dienst: So hat sich die Zahl der Pastoralreferenten in Deutschland etwa seit 1990 verdoppelt. Damit sind in Deutschland so viele Männer und Frauen im pastoralen Dienst tätig wie nie zuvor.

(rv 09.11.2017 sk)








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