2017-10-27 13:26:00

Eine offizielle jüdische Antwort auf „Nostra Aetate“


In schwierigen Zeiten wollen Juden und Katholiken in Wien noch enger zusammenarbeiten: Das haben sie jetzt in der österreichischen Hauptstadt vereinbart. Oberrabbiner Arie Folger überreichte dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn bei einem Festakt ein Dokument mit dem Titel „Zwischen Jerusalem und Rom“.

Eine Antwort auf „Nostra aetate“

Dieses Papier, das er mitverfasst hat, ist eine erste offizielle Antwort von jüdischer Seite auf die bahnbrechende Erklärung „Nostra aetate“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). „Nostra aetate“ hat die Beziehungen zwischen Katholiken und Judentum, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Judenvernichtung in der Nazizeit, auf eine ganz neue Grundlage gestellt.

Schon bisher habe die Zusammenarbeit von Kultusgemeinde und Erzdiözese „sehr gut funktioniert“, erklärte Oberrabbiner Folger: „Wir wollen aber noch mehr erreichen. Wir wollen nicht nur nett übereinander reden, sondern wir hoffen auf vertiefte Zusammenarbeit in jenen Gebieten, wo wir gemeinsame Interessen haben.“

Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, lobte das neue Dokument. „Das ist eine Deklaration, die eine positive Zukunft zwischen Juden und katholischer Kirche noch stärker machen wird!“

Schönborn nahm das Dokument dann entgegen mit den Worten, „Zwischen Jerusalem und Rom“ sei aus seiner Sicht „ein Arbeitsauftrag“, ähnlich wie schon „Nostra aetate“. Das Dokument verpflichte beide Seiten, über Worte hinauszugehen und Taten folgen zu lassen. Es seit Zeit für ein „Miteinander in geachteter Verschiedenheit“. Die Erklärung sei wie ein Streichholz, dessen Feuer zügig weitergegeben werden müsse, damit es nicht verlischt. Schönborn plädierte dafür, von- und übereinander zu lernen, denn durch Unwissenheit habe das Christentum über Jahrhunderte hinweg viel Leid über das Judentum gebracht.

Ein Arbeitsauftrag

Österreich und insbesondere Wien habe hier eine Vorreiterrolle, denn kaum woanders funktioniere der interreligiöse Dialog „derart kultiviert, institutionalisiert und auch anerkannt“, betonte der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. Trotz der Verschiedenheiten, „die nun mal da sind und die nicht wegdiskutiert werden können“, habe sich der Dialog auf pragmatischer Ebene stetig weiterentwickelt und schlussendlich auch die Erklärung „Zwischen Jerusalem und Rom“ möglich gemacht.

Von jüdischer Seite aus gehe es aber nicht um eine theologische Auseinandersetzung, sondern um eine gelungene Koexistenz in einer diversen Gesellschaft, betonte Hofmeister weiter. Die ethischen, gesellschaftlichen und auch politischen Herausforderungen machten eine Zusammenarbeit der Religionen nötig.

Hofmeister erinnerte an die bestehende „fruchtbare“ Kooperation an der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems. Dort werden künftig nicht nur christliche und islamische, sondern auch jüdische Religionslehrer ausgebildet.

Hintergrund

Hinter dem Dokument „Zwischen Jerusalem und Rom“ stehen Vertreter der europäischen Rabbinerkonferenz, des Oberrabbinats in Israel und der orthodoxen Rabbiner in den USA. Den Vorsitz der Autorenkommission hatte der Wiener Oberrabbiner Folger inne. Das Dokument, das Anfang September in Rom Papst Franziskus überreicht wurde, gilt als erste offizielle Antwort von rabbinischen Organisationen zum Konzilsdokument „Nostra aetate“.

In dem Schreiben würdigen die Vertreter des Judentums das Konzilsdokument über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen und erklären zu den Beziehungen mit der katholischen Kirche: Die Rabbiner wollten partnerschaftlich und solidarisch gemeinsam mit den Christen für Toleranz, für eine positive Einstellung zu anderen Religionen, gegen Hass und für den Frieden eintreten - trotz theologischer Differenzen. „Es wäre schön, wenn dieser Impuls seine positive Wirkung in die Zukunft hat“, so die Hoffnung von IKG-Präsident Deutsch.

(kap 27.10.2017 sk)








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