2017-08-28 13:11:00

D: Kirchengemeinden fühlen sich alt, aber wichtig


Die Kirchengemeinden in Deutschland – ob katholisch oder evangelisch – empfinden sich als „überaltert und chronisch überlastet“, verstehen ihre Arbeit aber gleichzeitig als „wichtig für die Zukunft der Gesellschaft“. Diese Einschätzung ist das Resultat einer bundesweiten Umfrage der Agentur des Rauen Hauses in Hamburg. Sie hat dazu hauptamtliche Mitarbeiter in 436 evangelischen und katholischen Gemeinden befragt. Die Überalterung und der Nachwuchsmangel seien als Probleme am meisten genannt worden, sagt im Gespräch mit dem Kölner Domradio der Geschäftsführer der Agentur des Rauhen Hauses, Martin Sterr.

„Es geht darum, dass nur noch wenige Menschen am Sonntag den Gottesdienst besuchen und wenn, dann sind es vor allem Ältere. Bei Jüngeren sind es ja vor allem Konfirmanden bei den evangelischen Kirchen oder Erstkommunion-Kinder bei den Katholiken. Da ist die Frage, wie man damit umgehen sollte und wie man wieder gesamtkirchlich die Gläubigen ansprechen kann. Auf die Frage, ob die Volkskirche ein Auslaufmodell sei, stimmten uns 80 Prozent zu.“

Doch gleichzeitig sagten 90 Prozent, die Kirche sollte gerade angesichts der heutigen Spaltungstendenzen in der Gesellschaft Menschen zusammenführen. Die Stimmung an der Basis sei nicht schlecht: Befragt nach der Gesamtsituation ihrer Gemeinde gab es im Durchschnitt die Note 2,8. „Es besteht auch weiterhin der Anspruch, dass man an alle ein Angebot richtet“, so Sterr.

„Einen Stein der Weisen hat man natürlich nicht. Jede Kirchgemeinde hat eine andere Idee, wie es am besten zu machen ist. Aber es geht darum, dass man sagt, es braucht neue Ansätze bei den Gottesdiensten und Handreichungen. Man braucht nicht neue spirituelle Zugangsformen, denn gerade diese beiden Punkten – Gemeinschaft und Spiritualität – sind unglaublich hoch angesetzt worden. Das gilt als sehr wichtig.“

Dennoch: Jeder Zweite (51 Prozent) gab an, dass in die Gottesdienste kaum noch Menschen unter 60 kämen. Familien fänden nur noch bei besonderen Gelegenheiten den Weg in die Kirche, erklärten 82 Prozent der Befragten. Dass so wenig Jugendliche kommen, liege vor allem an den alten Liedern, sagten 47 Prozent.

„Die Kirche muss bei Festen präsent sein, so ein Umfrageergebnis, und da vielleicht auch mal hin und wieder über ihren Schatten springen. Ein Stichwort dazu: Event-Manager. Das gilt aber als zweigeteilt. Die einen sagen, man darf nicht alles machen. Aber es muss doch mal möglich sein, anstatt in einer dunklen Kirche auch einmal in einem Privatgarten eine Taufe abzuhalten. Das muss aber jede Kirchgemeinde für sich selber sehen.“

Nur 18 Prozent sehen darin eine „Anbiederung an den Zeitgeist“. 72 Prozent setzen auf neue Gottesdienste, die statt äußerer Tradition mehr Wert auf eine emotionale Ansprache legen. Eine Mehrheit von 60 Prozent betrachtet die Entkirchlichung der Gesellschaft und die Austrittswellen der vergangenen Jahre mit großer Sorge.

„Ehrliches Bild“

Die Befragten gäben ein „ehrliches und transparentes Bild der Lage“, bilanziert Martin Sterr, Geschäftsführer der Agentur des Rauhen Hauses. „Die Kirchenvertreter stecken nicht den Kopf in den Sand“, erklärt er. Zu ihrer Bestandaufnahme gehöre auch, dass Kirche der Gesellschaft immer noch etwas zu geben habe. Die gemeinnützige Agentur des Rauhen Hauses verlegt christliche Literatur und bedient Buchhandlungen in ganz Deutschland.

(domradio 28.08.2017 mg)








All the contents on this site are copyrighted ©.