2017-08-19 10:30:00

Europa: Populismus ist nicht gleich Populismus


Populismus ist nicht gleich Populismus: Ob AfD, Front National, FPÖ, ob Regierungen in Polen oder Ungarn, ob Fünf Sterne in Italien oder Podemos in Spanien, Europas etablierte Parteien und Institutionen werden aufgeschreckt vom rauer werdenden Ton in politischen Debatten.

Das ZdK und das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis haben der Frage nun ein Themenheft gewidmet, ‚Populismen in Europa’ heißt es.

Es gibt viele Gemeinsamkeiten in den Erscheinungsformen, auch die Funktionsweise von Populismus ist immer gleich. Aber trotzdem sind nicht alle Populismen über einen Kamm zu scheren, sagt uns Christof Dahm, der für das Hilfswerk Renovabis das Heft verantwortet. „Es kommt auf die jeweilige Situation in den Ländern an, es kommt auf die Vorgeschichte an und es kommt auf aktuelle wirtschaftliche und politische Verhältnisse an.“ Populismen gebe es außerdem nicht nur – wie im Augenblick immer wieder gemeint wird – von rechts, sondern genauso von links, und beide hätten Gemeinsamkeiten, wie man zum Beispiel in Griechenland sehen könne; da regierten Linkspopulisten und Rechtspopulisten gemeinsam.

Kein ganz neues Thema

Ganz neu ist das Thema nicht, Populismen hat es in Politik und Gesellschaft immer gegeben und wird es auch wahrscheinlich immer geben. Aus mittel- und osteuropäischer Sicht ist dieses Thema aber gerade jetzt wichtig und naheliegend, „weil gerade Länder wie Polen und Ungarn in den letzten Jahren stark in den Fokus geraten sind. Das hat zum Teil mit dem Thema Flüchtlinge und Flüchtlingsaufnahme in diesen Ländern zu tun, aber es reicht schon ein wenig tiefer.“

Populismus heiße ja erst einmal, den Menschen zuzuhören, so Dahm. „Einer der Standardsätze lautet immer, dass zwischen den Regierenden da oben und den Menschen auf der Straße, dem Wähler und Bürger, eine Kluft entstanden ist. ‚Wir werden nicht mehr verstanden, ihr da oben - wir da unten’.“ Das könne zum Beispiel eine Reaktion auf die ‚neue Unübersichtlichkeit' sein, wie der Philosoph Jürgen Habermas das genannt habe.

Digitalisierung und Globalisierung überforderten viele Menschen. „Dann gibt es diese Leute, die sagen, dass sie das ganz schnell erklären können und wirklich auf die konkreten Probleme der Menschen eingehen. Das ist auf das Volk, auf den ‚Polulus’, geschaut, insofern ist es nicht schlecht, dass es Menschen gibt, die auf die Ängste reagieren. Ich denke schon, dass der normale Politiker diese Ängste aufnehmen muss. Dass das aber natürlich auf der anderen Seite ganz schnell zu Extremismus führt, zu einfachen Lösungen, zu Ausgrenzungen, das zeigen leider die Beispiele, das zeigt Pegida, das zeigt auch die AfD.“ Das Heft schaut sich diese Beispiele genauer an, neben Polen und Ungarn auch Deutschland, Österreich und Frankreich.

Keine einheitliche Haltung in den Kirchen

„Leider gibt es keine einheitliche Haltung in den Kirchen“, klagt Christof Dahm. Es gebe überzeugte Christen in der AfD oder der FPÖ, während die Kirchen sich anders positioniert hätten. Ganz deutlich sei diese Frage in Polen, wo die im Augenblick regierende PiS stark die christliche Karte zücke, da tue sich die polnische Bischofskonferenz sehr schwer, eine eindeutige Position zu beziehen. Einige Bischöfe oder Pfarrer würden helfen, andere vor Überfremdung warnen und sich abschotten.

„Man muss genau hinsehen und versuchen, die Probleme, welche der Populismus aufgreift, an der Wurzel zu packen“, zieht Dahm einen Schluss aus den vielen Themen des Heftes. „Man muss bei den vielen Bewegungen genau hinschauen, wohin die Reise geht.“ Nach den Wahlen in Frankreich oder dem abflauenden Hype in Deutschland um die AfD könnte man meinen, die größte Gefahr sei vorbei. „Der Populismus ist da und das Problem bleibt. Die Digitalisierung, die demographische Frage in Europa, die Finanzkrise, das Flüchtlingsproblem, all das bleibt und wird uns noch lange beschäftigen. Und so lange das da ist, wird es immer auch Versuche zu populistischen ‚Lösungen’ geben. Da müssen wir genau hinschauen, das ist auch unsere Aufgabe als Christ.“

 

Ost-West. Europäische Perspektiven, Heft 3/2017. Das Heft wird gemeinsam herausgegeben von Renovabis und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

 

(rv 19.08.2017 ord)








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