2017-08-08 15:18:00

Kolumbien will Frieden: „Zeitpunkt für Papstbesuch ist ideal"


Wenn Papst Franziskus im September in das um Frieden ringende Kolumbien kommt, dann könnte der Zeitpunkt dafür nicht besser gewählt sein. Das sagt der Mann, der in Kolumbien auf Regierungsseite das Friedensabkommen mit den FARC-Rebellen ausverhandelt hat. Hochkommissar Sergio Jaramillo äußerte sich vor Journalisten deutschsprachiger Medien, die auf Einladung des bischöflichen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat vor der Papstreise Kolumbien besuchten. „Ich habe das Gefühl, dass es die Absicht des Vatikans und besonders des Papstes ist, in diesem einmaligen historischen Moment eine Friedensbotschaft abzusetzen, die über das Abkommen mit den FARC und die aktuelle politische Debatte hinausgeht", sagte Jaramillo. „Mein Eindruck ist, der Papst will in diesem kritischen Moment des Lebens in Kolumbien zu einem tiefen Nachdenken über das einladen, was der Friede für alle ist.“

Abkommen nach fünf Jahrzehnten Gewalt

Das Abkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia), der ältesten und größten Rebellenorganisation Lateinamerikas, war vergangenen August nach vierjährigen Verhandlungen in Havanna zustande gekommen. Es zog einen Schlussstrich unter mehr als 50 Jahre bewaffneten Konflikt mit den FARC und wird nun nach und nach umgesetzt, auch wenn die Bevölkerung bei einem Referendum im September das Friedensabkommen mit hauchdünner Mehrheit abgelehnt hatte. Die katholische Kirche in Kolumbien, die großen Rückhalt in allen Teilen der Gesellschaft genießt, setzte sich auf beiden Seiten stark für die Friedensverhandlungen ein. Als es allerdings zum Referendum über das Abkommen kam, riet die Kirche ihren Gläubigen nicht zum „Ja“, sondern zu einer „Gewissensentscheidung“. Heute wäre es hilfreich, wenn die Kirche wieder mit einem eindeutigen „Ja“ für den Friedenskurs einstünde, sagt der Regierungsmann Jaramillo.

„Einerseits scheint mir, die Kirche hat eine extrem wichtige Rolle bei der Herstellung des Friedens in den Weiten des Landes gespielt. Jetzt mit dem Friedensprozess bewährt sich diese langjährige Arbeit. Beim Verhandlungsprozess selbst war die Kirche immer sehr gut informiert und zeigte viel Interesse. Dann aber wurde sie wegen der politischen Verwirrung nach der Volksabstimmung zögerlicher, so scheint mir. Und ich glaube, dass jetzt mit dem Papstbesuch ein guter Moment ist, dass die Kirche in Kolumbien sich wieder zu Gehör bringt und uns alle zum Frieden ermutigt.“

Papstbesuch soll auch Kirche zum Weitermachen ermutigen

Was die Umsetzung des Friedensabkommens betrifft, hat die Regierung - Jaramillo zufolge - die größere Verantwortung und auch größere Verpflichtungen als die Rebellen, „weil sie es ist, die es letztlich umsetzen muss“. Die Rebellen haben Ende Juni infolge des Abkommens alle Waffen abgegeben. Ihre Anliegen, darunter ganz zentral der Zugang zu Boden und lebenswürdige Bedingungen für Kleinbauern, wollen sie nun mit politischen Mitteln durchsetzen: Aus der FARC soll eine (Links-)Partei werden, so sieht es das Abkommen vor.

Viele Ex-Rebellen sind allerdings enttäuscht vom bisherigen Gang der Umsetzung und beschuldigen die Regierung, ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen. Jaramillo weist das zurück, zugleich räumt er ein, die Umsetzung gehe langsam vonstatten und sei von einer Reihe anderer Probleme überlagert. „Die Herausforderungen sind sehr groß, wir brauchen nicht naiv zu sein. Was in Kolumbien vorging, war ja nicht nur ein Konflikt zwischen der Regierung und den FARC. Es gibt auch die Koka-Plantagen, den illegalen Raubbau von Mineralien, eine Reihe von Interessen, die der Umsetzung des Abkommens entgegenstehen.“ Es werde lange dauern, sagt der Hochkommissar, der übrigens in Heidelberg studierte, und verweist auf das Beispiel der deutschen Wiedervereinigung.

Ungewöhnliche Gesten für den Frieden aus dem Vatikan

Papst Franziskus hatte die Friedensverhandlungen für Kolumbien aufmerksam verfolgt, freilich ohne sich von Rom aus groß einzumischen. Dennoch markierte er sein Interesse an einem Abkommen mit ungewöhnlichen Gesten. Zum einen versprach er einen Kolumbienbesuch im Fall des Abschlusses eines Friedensvertrags, zum anderen empfing er im Dezember 2016 in Rom den amtierenden Premier Manuel Santos zusammen mit dessen Vorgänger Álvaro Uribe. Die beiden Politiker verfolgen sehr unterschiedliche Strategien im Umgang mit den FARC-Rebellen, der Konservative Uribe zeigte eine Politik der harten Hand. Sein ursprünglicher politischer Ziehsohn Santos schwenkte nach seiner Wahl zum Präsidenten radikal um und leitete die letztlich erfolgreichen Verhandlungen mit den Rebellen ein. Jaramillo sagt, die Doppelaudienz beim Papst habe wohl „weniger Effekt gezeigt als erhofft"; irgendwelche Auswirkungen auf Kolumbien hatte sie seiner Einschätzung nach nicht. „Uribe hat seine Position nicht geändert, er ist so radikal wie früher. Nicht einmal der Papst konnte da etwas erreichen. Warten wir ab, wie sich das jetzt auf den kommenden Wahlprozess auswirkt.“

Die nächste Wahl in Kolumbien findet im Frühjahr 2018 statt, ihr Ausgang ist ebenso offen wie das Schicksal des Friedensprozesses: Rund die Hälfte der Kolumbianer sehen das Abkommen mit den FARC-Rebellen kritisch, einige verdienen gut am Bürgerkrieg, andere können ihnen angetanes Unrecht einfach nicht verzeihen. Der Friedens-Hochkommissar der Regierung Santos ist dennoch zuversichtlich. „Der Prozess ist weit fortgeschritten“, sagt Sergio Jaramillo. „Ich glaube nicht, dass eine Rückkehr zum Status quo möglich wäre.“

Papst Franziskus besucht Kolumbien von 6. bis 11. September. Das Motto der Pasptreise lautet „Demos el primer paso“ – zu Deutsch: „Tun wir den ersten Schritt.“

Sergio Jaramillo hat indessen sein Mandat als Friedenshochkommissar beendet. Am 31. Juli präsentierte Manuel Santos ihn überraschend als neuen Botschafter Kolumbiens bei der Europäischen Union in Brüssel. 

(rv 08.08.2017 gs)

 








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