2017-08-03 13:25:00

Uganda: Pater Pasolini, das Radio und die Flüchtlingskrise


Kennen Sie Radio Vatikan? Na klar. Aber Radio Pacis? Sehen Sie – da wird’s schon schwieriger. Aber das ist ja nur ein „kleines“ Buschradio irgendwo in Uganda. Allerdings, auch Buschradios können Großes leisten, dafür ist Radio Pacis – zu Deutsch Friedensradio – ein Beispiel.

„Ich heiße Tonino Pasolini und bin ein Comboni-Missionar aus Italien. Seit mehr als fünfzig Jahren arbeite ich jetzt schon in Uganda, und außerdem bin ich der Gründer einer Radiostation.“ So stellt sich uns der Macher vor. Radio Pacis – das ist natürlich Programm. „Im Norden von Uganda hatten wir viele Jahre hindurch Krieg.“ Gemeint ist das Wüten der sektenähnlichen „Befreiungsarmee des Herrn“ von Joseph Kony mit seinen berüchtigten Kindersoldaten.

„Seit dreizehn Jahren sind wir auf Sendung. Zuerst haben wir mit einer Frequenz angefangen, dann bekamen wir wegen der vielen Sprachen, die man im Norden Ugandas spricht, eine zweite, und seit fünf Jahren senden wir auch auf einer weiteren Frequenz in Gulu. Weil wir auch in Teilen des Kongo und des Südsudan zu hören sind, können wir potentiell etwa zehn Millionen Menschen erreichen.“ Soviel zum Thema kleines Buschradio.

Buschradio - Friedensradio

Das Radio spielt in vielen Teilen Afrikas noch eine echte Rolle: Es ist billig zu empfangen und baut keine hohen Hürden auf, man muss nicht einmal lesen und schreiben können. Das Friedensradio sprach den Menschen in Norduganda Mut zu in den schwierigen Jahren, in denen Konys Söldner nachts Dörfer überfielen, Frauen vergewaltigten und Kinder verschleppten. Dann zog sich Konys Truppe zurück, die Region wurde wieder halbwegs sicher – und die Mission des Friedensradios schien erfüllt.

„Aber jetzt sind die Südsudanesen zu uns gekommen!“ Über eine Million Südsudanesen sind vor den Bürgerkriegswirren nach Uganda geflohen. „Seit Ende Juli des letzten Jahres kamen zeitweise jeden Tag 4.000 Südsudanesen über die Grenze in das Bistum Arua, in dem ich arbeite. Diese Leute sind tagelang durch den Busch geflüchtet und haben alle größeren Straßen oder Siedlungen gemieden, aus Angst, von der Armee oder von Rebellen getötet zu werden. Es gibt dort ja kein Recht und Gesetz mehr.“

Es ist eine der größten und gleichzeitig unsichtbarsten humanitären Krisen unserer Zeit. Viele Südsudanesen bezahlen ihren Versuch der Flucht mit dem Leben; keine Statistik zählt sie. „Diejenigen, die durchkommen, werden vom UNO-Flüchtlingshilfswerk in Gewahrsam genommen, das trotz knapper Mittel eine sehr gute Arbeit leistet“, erzählt der Pater. „Sie werden in Lager gebracht und dort untersucht, registriert, man gibt ihnen Gefäße und ein paar Decken, etwa um sich ein behelfsmäßiges Obdach für die Nacht zu bauen.“

Über eine Mission Flüchtlinge aus Südsudan in einem Jahr

Das ist die Klientel, an die sich „Radio Pacis“ wendet. Die Leute sind in der Regel verzweifelt, sie stehen vor dem Aus ihrer Lebenspläne; viele hungern in den Lagern, es gibt auch immer mehr Spannungen mit den Ugandern. Zwar sind diese sehr gastfreundlich und bereit, Neuankömmlingen zu helfen, doch die Zahlen sind einfach zu hoch, um eine „Willkommenskultur“ durchzuhalten: Über eine Million Südsudanesen sind in den letzten zwölf Monaten im relativ armen Norduganda angekommen. „86 Prozent davon sind Frauen und Kinder. Welche Zukunft werden diese Menschen haben? Wenn man so einen Ansturm von Menschen hat, ist es unmöglich, Wunder zu wirken.“

„Radio Pacis“ versucht, den Flüchtlingen in den Camps so konkret wie möglich zu helfen. Die Programme erklären, wie man sich richtig wäscht oder wie man ein improvisiertes Gärtchen anlegen kann. Vor allem aber bemüht sich der Sender um Friedenserziehung zwischen den Mitgliedern der Dinka und der Nuer, die sich im Südsudan bekriegen und diesen Konflikt jetzt nach Norduganda hineinzutragen drohen.

„Wir haben hier mit etwas angefangen, was alle anderen Hilfsorganisationen nicht tun können: Wir können zwar kein Wasser bieten und keine Schlafplätze, aber doch etwas sehr Wichtiges, nämlich neue Hoffnung! Wir helfen den Leuten nämlich zu verstehen, dass es keine Zukunft in Südsudan geben wird, wenn nicht jeder Flüchtling zu einem Friedensbringer wird, der sich mit den Nachbarn von den anderen Stämmen versöhnt.“

Die meistgehörte Radiostation im Norden von Uganda

Jede Woche verbringt das Team von „Radio Pacis“ nach Angaben von Pater Pasolini einen ganzen Tag in einem der Flüchtlingslager. „Und wir haben ein Programm, das heißt „Nachbarschafts-Stimmen“. Da erzählen die Flüchtlinge ihre Geschichten, was sie alles durchgemacht haben, und worin jetzt im Moment ihre Schwierigkeiten bestehen. Und weil wir die am meisten gehörte Radiostation im Norden von Uganda sind, können wir auch den Ugandern selbst helfen zu verstehen, wie es den Flüchtlingen geht. Das trägt dazu bei, dass sie sie aufnehmen, ihnen Land und auch Zugang zu ihren Schulen und Krankenstationen geben.“

Migrationsdebatte in Europa: „Peinlich“, sagt der Missionar

Der Krieg im Südsudan hält schon seit 2013 an – zwei Jahre, nachdem das Land überhaupt erst entstanden war. Die Chancen auf ein baldiges Ende des Blutvergießens sind düster, mehrere Friedensabkommen waren nicht das Papier wert, auf dem sie standen. „Italien oder andere europäische Länder haben eben keine wirtschaftlichen Interessen in Uganda oder Südsudan“, sagt Pater Pasolini, „warum sollten sie sich also um diese Menschen kümmern?“ Der Missionar macht im Moment zwei Wochen Urlaub in seiner italienischen Heimat – und findet es „peinlich“, in welchem Ton hier die Debatte über Migration geführt wird. „Dabei liegt die Zahl der Migranten hier doch vergleichsweise sehr niedrig. Aber keiner redet ja über den Südsudan...“

Pater Pasolini hat mitbekommen, dass Papst Franziskus gerne in Begleitung des anglikanischen Primas Justin Welby eine Friedensreise nach Südsudan unternehmen würde. Er sagt uns: „Offenbar sind Leute (aus dem Vatikan) nach Juba gekommen, aber sie haben festgestellt, dass es im Moment einfach nicht die geringste Chance zu einer solchen Reise gibt. Die minimalsten Sicherheitsbedingungen sind einfach nicht gegeben, darum ist so eine Reise nicht vorstellbar. Wenn ich dem Papst einen Rat geben könnte, dann würde ich ihm sagen: Kommen Sie doch zu uns und besuchen Sie die Flüchtlinge im Norden von Uganda! Das würde weltweit auch schon für Aufmerksamkeit sorgen.“ Ein ökumenisches Vorbild gäbe es da auch: Anglikaner-Primas Justin Welby war erst vor wenigen Tagen zu Besuch in einem solchen Camp für Südsudanesen in Norduganda.

(rv 03.08.2017 sk)








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