2017-07-26 09:27:00

Äthiopien: Dürre, Hunger - und was dagegen hilft


Immer mehr Menschen in Äthiopien sind auf der Flucht vor dem Hunger. In Folge einer verheerenden Dürreperiode ist das Ausmaß der Not riesig, berichtet Franz König, der für die Hilfsorganisation „Jugend Eine Welt“ längere Zeit in Äthiopien unterwegs war. Vor allem der Süden des Landes sei stark betroffen; dort kämpften Millionen Viehhirten ums Überleben. König hat in den vergangenen Tagen vor Ort mit lokalen Projektpartnern Hilfsmaßnahmen für genau diese Gegend abgestimmt. Im Interview mit Radio Vatikan berichtet er über die Ursachen der Not:

„Es gibt in diesen Regionen, insbesondere im südlichen Teil auch aufgrund des Klimawandels, immer stärkere Dürreperioden, die in immer geringeren Abständen aufeinander folgen. Der verspätete oder ausbleibende Regen hat schon im zweiten Jahr zu einer Verschlimmerung der Lage geführt. Es gibt Missernten mit wesentlich geringeren Ernteerträgen als normal, und das führt zu einem Mangel an Nahrungsmitteln und zu steigenden Preisen.“

Vor allem die Viehwirtschaft hat es hart getroffen: Aufgrund der Dürre verenden ganze Herden, die überlebenden Tiere geben kaum noch Milch. Selbst der Notverkauf dieser Tiere könne das Überleben der Familien kaum sichern, so König.

„Viele Viehherden bestehen aus Kühen Schafen oder Ziegen, die gleichzeitig auch die einzige Lebensgrundlage der Menschen sind, diese magern ab und verenden. Viele Viehhirten sind somit gezwungen, auch ihre Tiere zu verkaufen um sich selbst Lebensmittel kaufen und überleben zu können. Viele müssen auch Tiere verkaufen, damit sie noch einen Ertrag daraus erhalten, bevor sie verenden. Diese Notverkäufe in so großer Zahl und so kurzer Zeit führen zu Preisverfällen. Und genau dieser Teufelskreislauf der Dürreperiode in dieser Region bringt es mit sich, dass es dramatische Auswirkungen hat für die Menschen, die oftmals Hunger leiden und keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben - die Krankheiten nehmen zu, viele sehen sich gezwungen weiterzuziehen auf der Suche nach immer neuen Weideflächen.“

Schon jetzt können in Äthiopien 7,8 Millionen Menschen nur dank Nahrungsmittelhilfe überleben, darunter mehr als 840.000 registrierte Flüchtlinge. Nachdem die Regenzeit verspätet einsetzte und viel zu wenig Niederschläge brachte, kann von einer Verschärfung der Hungerkrise in den nächsten Wochen ausgegangen werden.

Angesichts der Verschlimmerung der Lage ist Nothilfe für Äthiopien aktuell „die einzige Möglichkeit, den Menschen das Überleben der Katastrophe zu ermöglichen“, bringt König die dramatische Lage auf den Punkt. Dabei reichten die Maßnahmen der Hilfsorganisationen vor Ort gleichzeitig „bei Weitem“ nicht aus, um die Hungerkrise zu bewältigen. Dies bescheinigte auch eine kirchliche Studie, die vor allem in den südlichen Regionen Borena, Guji und Sidama dringenden Handlungsbedarf ortet.

Bildung und Wissenstransfer: Schlüssel zur Selbsthilfe

Um Dramen solchen Ausmaßes langfristig abmildern zu können, braucht es ein ganzes Maßnahmenpaket, das von akuter Nothilfe über Aufbauarbeit bis zu politischer Entwicklungsarbeit reicht. Internationale Hilfe für Äthiopien sah sich in der Vergangenheit mit dem Vorwurf konfrontiert, sie halte das Land abhängig und unterbinde Entwicklung. Radio Vatikan wollte von Franz König wissen, welche Hilfsprojekte seiner Beobachtung nach tatsächlich zukunftsweisend sind. Wissenstransfer in der Äthiopien weit verbreiteten Viehwirtschaft etwa, führt der Helfer aus:

„Es ist beispielsweise oft so, dass in Äthiopien aus Prestige-Gründen Herden zu groß gehalten werden, in Zeiten wo es den Menschen gut geht. In Dürrezeiten ist es dann viel schwerer, diese Herden zu ernähren. Ein konkreter Ansatz wäre, den Menschen zu zeigen, wie und in welcher Größe man in diesem Sinne Herden halten kann. Zudem besteht auch die Möglichkeit, mit nachhaltigen und Dürre-resistenteren Anbaumethoden oder entsprechendem Saatgut die landwirtschaftliche Produktion zu verbessern und sie widerstandsfähiger zu machen. Ich habe zum Beispiel Dorfentwicklungsprogramme in äthiopischen Dörfern miterlebt, wo den Menschen vor Ort ein bestimmtes Wissen übermittelt wird in punkto alltägliches Leben, Gesundheit, Ernährung, Landwirtschaft, um sich besser organisieren zu können.“

Mit dem Ziel der Nachhaltigkeit und der Hilfe zur Selbsthilfe vor Augen gebe es „definitiv“ Hilfsansätze, die auch in einem Land wie Äthiopien fruchten, zeigt sich König zuversichtlich. Um ein Leben in Würde führen zu können, kämen die Äthiopier „mit sehr wenig“ aus, beobachtet der Helfer: „Das ist großartig – es bedarf eigentlich nicht viel. Voraussetzung ist natürlich ein Mindestmaß an Versorgungssicherheit und Gesundheit.“

Auch für die Menschen, die in den städtischen Zonen des Landes lebten oder dort hinzögen, biete Bildung Überlebensvorteile, fährt König fort. Die von Jugend Eine Welt geförderten Don Bosco-Hilfsprogramme zielten deshalb darauf ab, jungen Menschen über Ausbildung und begleitetes „Job-Placement“ eine Perspektive zu bieten.

Wer schreiben und rechnen kann, hat viel bessere Perspektiven zu Hause

„Die Dürrekatastrophe führt dazu, dass  viele Menschen aus dieser traumatischen Lage auszubrechen suchen und in die Städte des Nordens gehen und dann eben wieder vor dem Nichts stehen. Die Salesianer bieten diesen Menschen und ihren Kindern Mahlzeiten, aber auch vor allem den Zugang zu Bildung. Bildung ist nach wie vor die wahrscheinlich unverfänglichste Art und Weise der Entwicklungshilfe oder Entwicklungszusammenarbeit. Menschen, die lesen, schreiben und rechnen können, haben wesentlich bessere Möglichkeiten, Chancen und Perspektiven, sich auch in ihrem Land etwas aufzubauen.“

Im Don Bosco-Kinderzentrum in Dilla erhalten hunderte Kinder und Jugendliche täglich eine nahrhafte Mahlzeit, werden medizinisch versorgt und können zur Schule gehen. Dabei leistet die kirchliche Stelle auch einen wichtigen Beitrag, um die weitere Migration entwurzelter junger Menschen aus dem Süden Äthiopiens in andere Länder zu verhindern. Viele wollten weg, so König – beispielsweise nach Kenia, Südafrika, in die arabischen Länder oder sogar Europa.

„Die Salesianer versuchen eben auch, sie entsprechend darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Situation für Viele dadurch nicht verbessert, sondern eher verschlechtert, auch die Jugendlichen darauf aufmerksam zu machen, dass sie ihre Chancen im eigenen Land suchen sollen! Aber dazu ist es auch notwendig, ihnen erstmal sichere Schulbildung zu gewähren, um die Chancen zu erhöhen, sich selbst ein Leben vor Ort aufzubauen...“

(rv/jugend eine welt 26.05.2017 pr) 








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