2017-07-20 14:52:00

Heiliges Land: Keine Lösung ohne die Religionen


Besorgnis über die zunehmenden Spannungen um den Tempelberg äußern die christlichen Kirchen Jerusalems. In einer Erklärung von diesem Mittwoch verurteilen die Kirchenführer der dreizehn anerkannten Kirchen im Heiligen Land die jüngsten Gewaltakte und rufen zu einer Bewahrung des historischen Status Quo der Al-Aksa-Moschee und der Jerusalemer Altstadt auf. Muslimen müsse der freie Zugang zu ihren Gebetsstätten gewährleistet werden, so die Unterzeichner der Botschaft, zu denen neben dem Kustos des Heiligen Landes, Francesco Patton, auch der Administrator des Lateinischen Patriarchats Pierbattista Pizzaballa sowie der griechisch-orthodoxe Patriarch Theophilus III. gehören.

Konferenz zur Bedeutung Jerusalems

Die Bedeutung Jerusalems für die drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam war an diesem Mittwoch auch Thema eines hochkarätig besetzten interreligiösen Forums. Organisiert wurde das Treffen vom lokalen Päpstlichen Notre Dame Center, gemeinsam mit der European University of Rome. Unter den Relatoren des Treffens war auch Rabbi David Rosen. Er ist Ehrenvorsitzender des International Council of Christians and Jews, der Dachorganisation von weltweit 40 nationalen christlich-jüdischen und interreligiösen Dialogvereinigungen. Im Gespräch mit Radio Vatikan verleiht er seiner Überzeugung Ausdruck, dass Jerusalem „niemals das exklusive Eigentum Einzelner sein kann:

„Ich hoffe, dass dies Botschaft der Konferenz ist (...) und dass wir nur dann wirklich Frieden für Jerusalem stiften werden, wenn wir - um hier ein Wort des Psalmisten aufzugreifen - die Verbundenheit anderer mit dieser Stadt anerkennen, respektieren, und sogar annehmen.“

Jerusalem nicht nur Ort, sondern auch Mittel im Konflikt

Mit Blick auf den schwelenden Machtkampf zwischen Palästinensern und Israelis in der Region meint Rabbi Rosen, die Stadt werde „nicht nur zum Ort, sondern zum Werkzeug eines Konfliktes, in dem die Parteien deren spirituelle Kraft zu ihrem eigenen Vorteil ausbeuten.“ Das sei, fügt Rosen an, eine Null-Summen-Mentalität, die nur überwunden werden könne, wenn man die Verbundenheit der anderen Seite mit der Stadt „als ein Segen und nicht als ein Fluch“ betrachten würde.

Religiöse Führer hätten eine wichtige Rolle bei Friedensarbeit im Heiligen Land, fährt Rabbi Rosen fort. Ein „Segen” sei der Besuch des Heiligen Johannes Pauls II. im Jahr 2000 gewesen, der den Rat der Religiösen Institutionen im Heiligen Land (www.crihl.org) hervorgebracht habe. Der Rat habe vor allem drei Ziele: „Zunächst einmal die Kommunikationskanäle zwischen den Religionsführern offen zu halten, dann Anstiftung zu Unfrieden und Angriffe auf religiöse Stätten zu verurteilen und drittens religiöse Unterstützung für politische Initiativen zu leisten, um den Konflikt zu beenden - damit zwei Nationen und drei Religionen in dem Land aufblühen können.“

Religion muss bei Friedensstiftung eine Rolle spielen

Der interreligiöse Rat könne bei den ersten beiden Zielen zögerliche Erfolge verbuchen, urteilt der Rabbi. Die Ergebnisse hinsichtlich des dritten Ziels, nämlich die positive Beeinflussung der Politik durch die Friedensarbeit der Religionen, könnten jedoch als „komplettes Scheitern“ betrachtet werden, bedauert Rosen: „Nicht weil die religiösen Führungspersönlichkeiten sich nicht einbringen wollten, im Gegenteil, sie wollen sich einbringen – aber die politischen Figuren haben daran keinerlei Interesse!“ Ein Grund dafür: politische Führungspersonen würden durch die Politik eingesetzt – so dass es „illusionär“ wäre zu denken, sie könnten sich gegen ihre politischen Leitfiguren erheben und somit einen politischen Durchbruch erwirken, so das Fazit des Rabbis.

Einen Beitrag zum Scheitern der bisherigen Friedensinitiativen habe auch die Tatsache geleistet, dass die „religiöse Dimension nicht ernst genug genommen worden ist.“ Mit Blick auf die Unruhen, die Jerusalem und den Tempelberg derzeit erschüttern, meint Rabbi Rosen, die Konferenz komme gerade zur rechten Zeit: „Denn sie wirft ein Schlaglicht darauf, wie explosiv die Situation in Jerusalem ist. Sie wird als politischer Spielball missbraucht, und es ist eine Illusion, wenn wir meinen, wir könnten den Konflikt ohne die religiöse Dimension lösen.“

Teilung Jerusalems soll erschwert werden

Viel Zeit bleibt dabei offensichtlich nicht: denn ungeachtet der international geäußerten Besorgnis über die Zustände in Jerusalem hat nach dem israelischen Kabinett nun auch das Parlament des Landes in einer Vorablesung einen Gesetzentwurf gebilligt, der eine Teilung Jerusalems bei einem Frieden mit den Palästinensern erschweren soll. 58 Abgeordnete stimmten für den Entwurf, dagegen stimmten 48 Abgeordnete, wie die Knesset mitteilte. Mit dem Gesetz soll festgelegt werden, dass eine eventuelle Teilung Jerusalems, die von den Palästinensern als unabdingbar in einem Friedensabkommen gesehen wird, nur durch eine Zweidrittelmehrheit in der Knesset genehmigt werden kann. Diese zu erreichen gilt jedoch – auch nach Aussage der nationalreligiösen Partei „Jüdisches Heim“, die den Entwurf eingebracht hat, als faktisch unmöglich. Vor der endgültigen Annahme muss der Entwurf noch mehrere Lesungen in der Knesset passieren. Kritiker sehen in dem Vorstoß einen Affront gegen den Friedensprozess im Nahen Osten.

(rv 20.07.2017 cs)








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