2017-06-30 09:00:00

Van der Bellen: Bei Hungersnot „hin-, nicht wegschauen"


Wien, Mariahilferstraße, die Caritas sammelt für die Not und gegen den Hunger, an sich kein ungewöhnlicher Anblick. Zur Unterstützung der Aktion wird alle zehn Sekunden ein Gasballon steigen gelassen, weil alle zehn Sekunden ein Kind auf der Welt an Hunger stirbt. Ungewöhnlich bei dieser Aktion ist die Unterstützung von vielen Prominenten und Kulturschaffenden, auf der Mariahilferstraße dabei war dann auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „Ich glaube, dass wir alle verpflichtet sind, im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas beizutragen, durch kleine Spenden, durch größere Spenden. Hier kann man nicht wegschauen, hier muss man hinschauen“. Der Präsident lobte die Caritas für ihre Hilfsmaßnahmen vor Ort. Über die Einzelspenden hinaus sei aber auch die Politik gefordert, die Gelder für Entwicklungshilfe auf die vereinbarten 0,7 Prozent deutlich zu erhöhen, sagte Van der Bellen. „Wir sind weit entfernt von unserem selbst gesteckten Ziel, und das ist kein Ruhmesblatt für Österreich.“

Alle zehn Sekunden stirbt ein Kind an Hunger

Caritas-Präsident Michael Landau war auch vor Ort in Wien, erst vor wenigen Tagen war er von einem Besuch in einer Hungerregion in Nordkenia zurückgekehrt, wo die Caritas Österreich Hilfe leistet. Die Situation sei „dramatisch", schilderte der Caritas-Chef. „Hunger ist kein Naturgesetz. Gerade im Bereich der Entwicklungshilfe kann ein kleines Land wie Österreich humanitäre Größe zeigen. Ich würde mir wünschen, dass Österreich die Zusage der 0.7 Prozent des Bruttonationaleinkommens rasch und tatsächlich erfüllt, mit einem klaren Fokus bei den ärmsten Ländern und in der Landwirtschaft.“

Das jetzt Versäumte sei später nicht mehr aufholbar, warnte Landau. In tragischer Erinnerung seien ihm auch die Gräber der bereits Verhungerten. „Wenn ich weiß, dass alle zehn Sekunden ein Kind weltweit an Hunger stirbt, dann ist das auf der einen Seite ein Skandal. Solange Kinder an Hunger sterben, haben wir als Gesellschaft versagt.“

Trotz der verzweifelten Lage komme Hilfe an, betonte der Caritas-Präsident. Viele Leben seien bereits gerettet worden, „Menschen haben mir gesagt: Ohne eure Hilfe gäbe es uns nicht mehr". Besonders versuche man bei Babys und Kleinkinder durch hochkalorische Zusatznahrung das Gewicht zu stabilisieren. Die bis vor wenigen Wochen in Kenia tätige Caritas-Katastrophenhelferin Miriam Ebner berichtete von Verteilaktionen von Mehl, Öl und Wasser. „Momentan können wir nur verteilen. Es geht darum, den Hunger so gut zu stillen wie möglich und die Leute widerstandsfähiger zu machen für künftige Krisen. Schon jetzt brauchen wir langfristige Strategien", so die Helferin.

Kritik an niedriger Entwicklungshilfe

Landau griff die Kritik des Bundespräsidenten an der zu niedrigen Entwicklungshilfe Österreichs auf. „Ich würde mir wünschen, dass die österreichische EU-Ratspräsidentschaft einen Afrika-Schwerpunkt setzt“, so Landau. Und er verwies auf ein den Nachbarn: „In Deutschland etwa findet eine ambitionierte Debatte unter dem Titel ‚Marshallplan mit Afrika’ statt. Es geht darum, dass Afrika auch ein Hoffnungskontinent ist, ein Kontinent in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas.“ Europa sei entstanden, um in der Welt einen Unterschied zu machen. Es ginge um viel mehr als nur um einen Wirtschaftsraum, so der Caritas-Präsident.

Ziel der Caritas-Straßenaktion sei es, in den nächsten Wochen 100.000 Euro für die Hungerhilfe zu sammeln, erklärte der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner; nur zehn Euro seien nötig, um einen Menschen einen Monat lang vor dem Hunger zu retten.

(kap 30.06.2017 ord)








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