2017-06-25 08:30:00

Brasilien: „Korruption fängt schon beim kleinen Mann an“


In Brasilien vergeht gefühlt kein Tag ohne neue Korruptionsvorwürfe gegen führende Politiker – ganz vorne dabei Präsident Michel Temer. Die wirtschaftliche und soziale Lage ist ohnehin schon angespannt in dem Land. Aber unter der Korruption leide vor allem die einfache Bevölkerung, sagt der Steyler Missionar Pater Ludwig Kaut im Interview mit Radio Vatikan. Er betreut 130 Dörfer im Amazonas-Gebiet.

Olympische Spiele 2016, zwei Jahre davor die Fußball-WM, Brasilien wollte sich als toller Gastgeber zeigen. Doch Geld war schon damals nicht vorhanden. Schöne Fernsehbilder gingen trotzdem um die Welt – und was blieb für die Brasilianer davon? Die Antwort von Missionar Pater Ludwig Kaut ist eindeutig: „Für die Menschen sind die Schulden angekommen. Die Gebäude wurden nicht so gebaut, dass sie weiterhin Einkommen für den Staat oder für das Land bringen könnten. Das waren Bauten, die wirklich nur für die Weltmeisterschaften entstanden sind und hohe Kosten verursacht haben. Gerade bei der WM muss das brasilianische Volk die Folgen bezahlen.“

Das Volk bezahlt

Und das treffe vor allem die einfache Bevölkerung Brasiliens, sagte er. Sein Vorwurf an die Regierung: Sie nutze die Menschen im Land für ihre eigenen Belange und Ziele aus. Im Alltag sei die soziale Spaltung nicht zu übersehen. Die einen können sehr gut leben, andere Menschen hätten nicht einmal einfache Lebensmittel. Und die Reichen im Land, zu denen auch die politische Führung gehöre, würden sich durch Korruption immer weiter selbst bedienen – und die sozialen Probleme fördern. Die Schuldfrage dafür mag Pater Kaut nicht eindeutig beantworten: „Ich glaube, die ganze Gesellschaft ist daran mit schuld. Man kann nicht nur die Politiker beschuldigen, das wäre zu schön. Die Korruption fängt schon beim kleinen Mann an, der seine Stimme vor den Wahlen wieder verkauft. Der bekommt 50 Real (15 Euro) in die Hand gedrückt mit der Aussage: Stimme am Sonntag für mich.“

Stimmenkauf und Kleinkorruption

Sehr viele Menschen im Land würden sich auf diese Stimmenkäufe einlassen, beklagt er. Seine Begründung dafür: Der kleine Mann, wie Pater Ludwig Kut sagt, glaube selber nicht an den Kleinen. Vielmehr sei der Glaube verbreitet, die Reichen könnten ihre Probleme lösen. Deswegen habe sich die Korruption auf allen Ebenen erfolgreich etablieren und institutionalisieren können.

Trotzdem gibt es im ganzen Land immer wieder Proteste gegen die Korruption und gegen die Reformpläne der Regierung, die vor allem die einfache Bevölkerung und die Arbeiterschicht hart träfen, so die Kritiker.

Dass die Proteste wirklich etwas ändern für die Menschen, glaubt der Missionar nicht wirklich: „Die kleinen Leute sind auch zu wenig organisiert und wollen sich auch nicht da hinstellen. Institutionen, NGOS sind alle zum Schweigen verurteilt worden. Auch die politischen Gegner können ihre Aussagen und Kritik nicht öffentlich machen, sonst werden sie verschrien. Weil sonst wird gesagt: Du warst selber so lange an der Macht und hättest es ändern können.“

Zum Glück noch stabil

Eine Hoffnung hat Pater Ludwig Kaut trotz der politisch, sozialen, und wirtschaftlich schweren Zeit in Brasilien. Das Land sei wegen seiner reichen Bodenschätze noch „einigermaßen“ stabil. Weltweit sei die Nachfrage nach Rohstoffen aus den brasilianischen Böden groß, zum Beispiel die Ressourcen zur Aluminiumproduktion oder Soja für den Weltmarkt. Würde sich das ändern, hätte Brasilien sehr viel größere Probleme als es ohnehin jetzt schon hat.

(rv 25.06.2017 fr) 








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