Etwa tausend Teilnehmer, allen voran der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, haben
am Freitagnachmittag am Schweigemarsch für verfolgte Christen durch die Innenstadt
der österreichischen Hauptstadt teilgenommen. An der von „Christian Solidarity International
Österreich“ (CSI) organisierten Veranstaltung nahmen u.a. der serbische Bischof Andrej
(Cilerdzic), der evangelische Altbischof Herwig Sturm, der katholische Wiener Weihbischof
Franz Scharl und weitere Vertreter der christlichen Kirchen teil. Besonderer Gast
war die syrische Ordensfrau Annie Dermerijan, die sich seit Jahren in Aleppo und Damaskus
für die unzähligen Opfer des Syrienkrieges einsetzt.
„Der Einsatz für Religionsfreiheit, auch und gerade für Christen, ist es wert, auf
die Straße zu gehen, denn es ist auch unsere eigene Freiheit, die auf dem Spiel steht“,
betonte CSI-Generalsekretär Elmar Kuhn zu Beginn. Die Demonstranten wollten zeigen,
dass sie „keine Angst haben“, offen für ihre Überzeugungen einzutreten. Kuhn erinnerte
daran, dass es heute mehr christliche Märtyrer gebe als je zuvor in der Geschichte.
„Wir demonstrieren nicht, sondern wir erinnern daran, wie viele Christen weltweit
verfolgt werden, aber auch, wie viele andere Menschen unter Gewalt leiden. Und wir
beten für den Frieden und für Gerechtigkeit“, sagte Kardinal Schönborn gegenüber der
Nachrichtenagentur Kathpress zu Beginn des Marsches.
Mit Blick auf die dramatische Situation der Christen im Nahen Osten kam der Kardinal
auf seinen jüngsten Besuch in den USA zu sprechen. Gemeinsam mit dem chaldäischen
Patriarchen Louis Raphael I. Sako, dem syrisch-orthodoxen Patriarchen Ignatius Afrem
II. Karim und dem syrisch-katholischen Patriarchen Ignatius Joseph III. Younan war
er in Washington mit US-Vizepräsident Mike Pence und Vertretern des State Departments
zusammengetroffen. Die US-Regierung habe im Anschluss signalisiert, dass sie der Sicherheit
der Christen im Nahen Osten mehr Aufmerksamkeit widmen wolle. Was sich konkret für
die Christen in der Ninive-Ebene oder im „hoffentlich bald befreiten Mossul“ ändern
werde, könne er noch nicht sagen. Aber: „Das Thema ist jetzt zumindest deutlicher
auf der Agenda der US-Regierung“, so Schönborn wörtlich.
Bericht aus dem syrischen „Stalingrad“
In der Augustinerkirche berichtete die syrische Ordensfrau Annie Dermerijan zum Abschluss
des Schweigemarsches vom Krieg in ihrem Land und dem Leiden der Menschen. Sr. Annie
gehört der Gemeinschaft der „Schwestern Jesu und Mariens“ an. Gemeinsam mit vier Mitschwestern
und vielen freiwilligen Helfern setzt sie sich seit Jahren in Aleppo und Damaskus
für Menschen in Not ein. Tausende Familien haben die Ordensfrauen seit Kriegsbeginn
mit Medikamenten, Nahrungsmitteln, Wasser oder finanzieller Unterstützung für Strom,
vor allem aber auch mit menschlicher Zuwendung unterstützt. Auch zu den schlimmsten
Kriegszeiten blieben die Frauen vor Ort.
Die Ordensfrau berichtete von unvorstellbaren Zuständen in der nordsyrischen Stadt
Aleppo, die über Jahre als „syrisches Stalingrad“ galt und die am heftigsten umkämpfte
Stadt im Land war. Sie berichtete von Kindern, die ihre Schularbeiten auf dem Boden
von Klassenzimmern hockend schreiben mussten, während durch Granatenbeschuss der Verputz
von den Decken fiel. Monatelang hätten die Menschen ohne Strom und fast ohne Wasser
überleben müssen. Unzählige Menschen seien gestorben.
Im vergangenen Dezember zogen die letzten Rebellen bzw. islamistischen Kämpfer ab,
seither ist Aleppo unter Kontrolle der Assad-Truppen. Die Sicherheitslage habe sich
in der Stadt verbessert, die Menschen, Muslime wie Christen, schöpften wieder Hoffnung,
schilderte Sr. Annie. Die Christen wollten in Syrien bleiben, betonte die Ordensfrau,
„denn das ist auch unser Land. Wir gehören hierher.“
Für die musikalische Gestaltung des Schweigemarsches bzw. der Abschlusskundgebung
in der Augustinerkirche sorgte u.a. ein Jugendchor der syrisch-orthodoxen Kirche.
(kap 10.06.2017 sk)
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