2017-06-08 11:00:00

Österreich: Wer ist der Mann auf dem Grabtuch?


Man kann es theologisch betrachten, als Andachtsgegenstand oder auch als Objekt der Wissenschaft: Das Grabtuch von Turin zieht nach wie vor viel Aufmerksamkeit auf sich. In Wien ist ab diesem Donnerstag eine Wanderausstellung zu Gast, welche sich der Frage widmet, wer „der Mann auf dem Turiner Grabtuch“ sei. Kernstücke der Schau sind eine originalgroße Kopie des Turiner Grabtuchs und eine dem Abdruck des Tuches entsprechende 3D-Figur. Die Sammlung umfasst außerdem 24 Stelen und sieben Exponate, darunter eine Dornenhaube und Nägel, die zur damaligen Zeit bei einer Kreuzigung verwendet wurden.

Die Ausstellung im Erzbischöflichen Palais in der Wollzeile in Wien will eine Spurensuche sein und sowohl wissenschaftliche Forschung wie theologische Sichtweisen zu dem Leinentuch vorstellen. Die Ausstellung dokumentiert Erforschung und Geschichte des Tuches, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse um Wunden und Echtheit, versehen mit biblischen Bezügen; es biete sich die einmalige Gelegenheit, Religion und Wissenschaft auf diese Weise erfahrbar zu machen, heißt es seitens der Veranstalter.

Blutgruppe AB

Zu sehen sind auf dem 4,40 langem und 1,13 Meter breitem Tuch Blut, Brandflecken und der Abdruck eines etwa 1,78 Meter großen Mannes mit der Blutgruppe AB in Vorder- und Rückenansicht, der gekreuzigt wurde und dabei eine Dornenhaube trug, erklärte Kuratorin Bettina von Trott bei einer Presseführung im Palais. „Unsere Ausstellung heißt ‚Wer ist der Mann auf dem Tuch? Eine Spurensuche’. Das ist uns wichtig, wir sagen nicht, dass das Christus ist. Was sehen wir auf dem Grabtuch? Wir wissen, dass es ein Mann ist, der etwa 1,78 Meter groß war und der gekreuzigt wurde. Wir sehen Blutflecken – keine Farbflecken, Blutflecken – das ist Tatsache.“ Ob es sich bei dem Mann um Jesus von Nazareth handelt, könne die Wissenschaft allerdings weder belegen noch verneinen.

Von einer späteren Fälschung gehe mittlerweile aber niemand mehr aus. Stichhaltigstes Argument: Der auf dem Grabtuch dargestellte Mensch wurde nicht wie in der Ikonographie durch die Handflächen, sondern durch die Gelenke gekreuzigt.

Wie kommt der Abdruck auf das Tuch?

Ungeklärt sei auch die Frage, wie der Abdruck auf das Tuch gekommen ist, so von Trott. „Die Wissenschaftler sind sich einig, dass das Bild durch etwas erzeugt wurde, das zur Oxidation und Dehydration der Mikrofasern des Leinens führte." Was allerdings diesen Prozess hervorgerufen hat, ist unklar. Weder Befürworter noch Zweifler hätten bisher eine befriedigende Theorie geliefert.

Als gesichert gilt, dass das Tuch durchaus aus dem 1. Jahrhundert nach Christus stammen könnte, da Webart und Stoffbeschaffenheit darauf Hinweise geben. Den endgültigen Beweis einer antiken Webart erbrachte die Textilarchäologin Mechthild Flury-Lemberg. Sie fand heraus, dass die Gewebestruktur und die spezielle Eigenart der Webkantenbildung des Grabtuches ihre Parallelen in antiken Stoffen haben, die man in den Ruinen von Masada fand.

Erforschung 1898 begonnen

Seit mehr als hundert Jahren versuchen Wissenschaftler aus aller Welt, das Geheimnis des Turiner Grabtuches zu enträtseln. Einig sind sich die Forscher, dass der „Mann auf dem Tuch“ alle Merkmale der in der Bibel beschriebenen Kreuzigung aufweist. Trotzdem wird das Tuch von Katholischer Seite nicht als Reliquie anerkannt. Im vatikanischen Sprachgebrauch wird dafür von einer „Ikone" gesprochen.

„Im Jahr 1898 hat ein Hobbyfotograf von dem Grabtuch ein Bild machen dürfen, und plötzlich schaut ihn in der Dunkelkammer ein Kopf an, und zwar ein Positiv, kein Negativ. Und er sagt sich, dass er Christus seit 2.000 Jahren ins Auge blickt. Daraufhin wurde die Wissenschaft auf den Plan gerufen, unterschiedlichste Forscher wollten an dem Tuch arbeiten. Auch die NASA hat eine Untersuchung gemacht, mit einem Computer, der für die Marsforschung entwickelt wurde, baute ein 3D-Bild auf. Dieses 3D Bild ist umgesetzt in die Skulptur, die wir in der Ausstellung haben.“

Organisiert wird die Ausstellung vom Malteserorden. Sie ist als Wanderausstellung konzipiert und konnte bisher über 110.000 Besucher im deutschsprachigen Raum verzeichnen. Zu sehen ist die Ausstellung in Wien bis zum 16. Juli.

Papst Franziskus hat am 21. Juni 2015 vor dem Turiner Grabtuch gebetet. Die Ikone gilt als eine der kostbarsten der Christenheit.

(kap 10.06.2017 ord)








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