2017-05-24 09:00:00

Irak: „Es braucht rechtsstaatliche Strukturen“


„Wer Waffen verkauft, kann nicht zugleich von sich behaupten, den Terrorismus zu bekämpfen." Mit diesen Worten - ohne konkrete Namen zu nennen aber doch deutlich auf den jüngsten US-Deal mit Saudi Arabien bezogen - hat der irakische Erzbischof Jean Benjamin Sleiman das Grundprobleme der Konflikte im Nahen Osten zusammengefasst. Der römisch-katholische Erzbischof von Bagdad besucht in dieser Woche Österreich, wo er an mehreren Orten - in Wien, Linz, Graz und Mariazell - über die Situation der Christen im Nahen Osten, insbesondere im Irak, berichten wird. Am Dienstag äußerte er sich im Rahmen eines Pressegesprächs in Wien.

Er freue sich, dass so viele Christen in ihre zurückeroberten Dörfer und Städte, die unter IS-Herrschaft standen, zurückkehren wollen. Freilich sei die Situation nicht einfach. Zuallererst brauche es noch mehr Sicherheit und vor allem auch eine politische Lösung für die gesamte Region.

Freude über die Rückkehrer

Der Bischof sprach auch von Problemen bei der Verteilung der Hilfsgelder. Verlassene Häuser in Mossul seien beispielsweise von anderen Bürgern okkupiert worden. Auf internationaler Ebene sei das Vertrauen in die Vereinten Nationen und den UNO-Sicherheitsrat gesunken. Dazu komme das Spiel der Großmächte: „Sie verfolgen ökonomische Interessen", so Sleiman, ohne Namen zu nennen.

Die Gefahr der Teilung des Irak sei evident, so Sleiman. „Ich habe Angst vor dem was kommt, wenn der IS endgültig besiegt ist", sagte der Erzbischof. Die von der Terrormiliz zurückeroberten Territorien wie etwa die Ninive-Ebene im Norden seien politisch heftig umstritten.

Von einem diskutierten autonomen Status klar definierter Christengebiete im Nordirak hält der Erzbischof wenig. Der Irak habe nur dann eine Zukunft, wenn es gelingt, rechtsstaatliche Strukturen aufzubauen. Das Stammesdenken und Denken in konfessionellen Kategorien müsse überwunden werden, zeigte sich Sleiman überzeugt. Sonst hätten auch Wahlen nichts mit Demokratie zu tun, sondern seien letztendlich „nur die Weiterführung des Krieges mit anderen Mitteln". Eindringlich warnte der Erzbischof auch Europa vor dem islamistischen Extremismus.

Angst vor der Teilung des Landes

Eine im März durchgeführte Umfrage unter irakischen christlichen Binnenflüchtlingen hatte ergeben, dass 41 Prozent der Familien definitiv in ihre Häuser in der Ninive-Ebene zurückkehren wollen, die sie 2014 verlassen mussten. Weitere 46 Prozent würden eine Rückkehr ernsthaft in Erwägung ziehen, wie Herbert Rechberger, Direktor von „Kirche in Not/Österreich" sagte. Diese Menschen bräuchten jetzt konkrete Hilfe, so Rechberger, sonst würden sie das Land wohl verlassen müssen.

Erzbischof Sleiman traf am Montag im Anschluss an das Pressegespräch mit Außenminister Sebastian Kurz zusammen, um ihn über die aktuelle Lage im Irak zu informieren. Weitere Begegnungen sind in dieser Woche noch mit Kardinal Christoph Schönborn, Bischof Wilhelm Krautwaschl, Bischof Manfred Scheuer und Nuntius Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen geplant.

(kap 24.05.2017 ord)








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