2017-05-22 13:02:00

Italien/EU: Mittelmeer-Retter von Vorwürfen entlastet


Wenn nicht sie Leben retten, tut es derzeit keiner – das betont mit Blick auf die privaten Seenotkreuzer, die auf dem Mittelmeer Tausende schiffbrüchiger Migranten retten, Mussie Zerai, Direktor des Flüchtlingshilfszentrums „Habeshia“. Der eritreische Priester verweist im Interview mit Radio Vatikan auf einen der Hauptabfahrtsorte für die Mittelmeerflüchtlinge, Libyen.

„Die NGOs sind die einzigen auf dem Meer, die eine Lücke schließen. Nach dem Fall des Regimes von Gaddafi war das Meer vor den Küsten Libyens in der Tat sich selbst überlassen. Niemand half den Migranten jenseits der libyschen Gewässer. Dank Gott haben diese Organisationen sich zur Aufgabe gemacht, Leben zu retten.“

Seit Wochen sahen sich auf dem Mittelmeer operierende Nichtregierungsorganisationen in Italien mit Vorwürfen konfrontiert, mit ihren Einsätzen Migranten anzulocken und Schleppern in die Hände zu spielen. Letzte Woche schließlich hat der Verteidigungsausschuss des italienischen Senats die NGOs von den Vorwürfen freigesprochen. Es gebe keine Hinweise auf eine Kooperation der Retter mit Menschenhändlern, steht in dem entsprechenden Bericht. Mussie Zerai zeigt sich erleichtert darüber:

„Aus dem Bericht geht hervor, dass die schrecklichen Vorwürfe nicht bewiesen wurden! Nach dieser Schlammschlacht gilt es jetzt, die Freiwilligen, die ihre Zeit opfern, um menschliche Leben zu retten, zu rehabilitieren.“

Koordination mit der italienischen Küstenwache verbessern

Die Senatoren hatten im Rahmen der Untersuchung zugleich neue Regeln für den Einsatz der privaten Seenotretter im Mittelmeer gefordert. Diese dürften keine humanitären Korridore schaffen; zudem sollten die Rettungseinsätze stets unter Führung der italienischen Küstenwache stattfinden. Pater Zerai findet das grundsätzlich sinnvoll:

„Es ist richtig, dass die NGO – wie der Verteidigungsausschuss betont – mehr mit der (italienischen, Anm.) Küstenwache bei den Rettungsaktionen zusammenarbeiten. Doch es ist nicht so, dass das vorher nicht geschah. Wenn es darum geht, diese Koordination zu verbessern, ist das eine sehr gute Initiative. Wenn man aber, wie es vor einiger Zeit einige Gesetzesvorschläge vorsahen, die NGO-Schiffe zwingen will, in den italienischen Gewässern zu bleiben, den so genannten SAR-Gewässern, bedeutet das, Tausende von Menschen zum Tod zu verurteilen. Das Mittelmeer wird dann immer mehr zum Friedhof unter freiem Himmel.“

Es braucht ein europäisches Hilfsprojekt

Die Lebensrettung muss nach Ansicht von P. Zerai oberste Priorität haben. Dass eine von der EU koordinierte gemeinsame Rettungsaktion derzeit fehlt, sieht er als großes Manko:  

 „Was es braucht, ist ein europäischen humanitäres Projekt, das in die Richtung der Operation ,Mare Nostrum‘ geht, mit einem klaren Mandat, nach Menschen zu suchen und diese zu retten. Denn alle anderen laufenden Initiativen wie etwa Frontex haben keinen solchen Auftrag – da werden allein die Grenzen bewacht.“

Dank der italienischen Marine- und Küstenwache-Operation ,Mare Nostrum' konnten bis November 2014 rund 150.000 Menschen auf dem Mittelmeer gerettet werden; abgelöst wurde sie vom Grenzschutzprojekt Triton, das unter Führung der EU-Grenzagentur Frontex steht.

Migration ginge auch ohne NGOs weiter

Dem Vorwurf, dass die vor den libyschen Küsten operierenden Hilfsorganisationen den Fluss der Migranten noch stimulieren, entgegnet Don Mussie Zerai:

„Die Aktivität dieser Organisationen begann nach verschiedenen Tragödien und Schiffbrüchen, vor allem denen im Jahr 2013. Doch vor diesen dramatischen Ereignissen gab es auch Abfahrten, und die Menschen riskierten gleichermaßen ihr Leben. Der wahre Impuls für die Migrationsflüsse ist ganz sicher nicht die Rettungsarbeit, sondern die Ursachen in den Herkunftsländern der Migranten selbst und die schlechten humanitären Bedingungen, die sie in den Transitländern erleiden. Deshalb sind sie dazu gezwungen loszufahren, um einen sicheren Ort zu finden.“

Der Flüchtlingshelfer betont zugleich, dass es die Ursachen der Migration zu verstehen gilt. Die Kritiker der NGOs seien in dieser Hinsicht kurzsichtig.

„Die NGO anzugreifen, weil die Migrationsflüsse nicht nachlassen, ist wie auf einen Arzt böse zu sein, der uns eine Krankheit diagnostiziert hat - ohne selbst die Gründe dafür in Betracht zu ziehen. Nur indem man die Ursachen sieht, kann man verhindern, dass zehntausende Menschen dazu gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Es ist Unsinn, diejenigen anzuklagen, die versuchen, die Not zu lindern.“

Der Verteidigungsausschuss des italienischen Senates hatte weiter gefordert, langfristig sichere Landepunkte für Mittelmeerflüchtlinge auf libyschem, tunesischem und maltesischem Gebiet unter Federführung der Internationalen Organisation für Migration (IOM), der Vereinten Nationen und des UNO-Flüchtlingswerkes UNHCR einzurichten: Italien dürfe nicht das einzige Ankunftsland für gerettete Migranten sein.

(rv/diverse 22.05.2017 pr)








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