2017-05-20 12:16:00

Der Papst, Trump und die Diplomatie der Barmherzigkeit


Wenn bis dahin nichts schiefgeht, trifft Donald Trump am kommenden Mittwoch den Papst: Der US-Präsident krönt seine erste Auslandsreise, die ihn auch nach Saudi-Arabien und Israel führt, mit einer Audienz im Vatikan. Eine „tour d’horizon“ einmal quer durch die Stammländer der monotheistischen Weltreligionen, sozusagen. Der Präsident wolle „die Völker aller Glaubensrichtungen hinter seiner Vision des Friedens sammeln“, trommelt Trumps Sicherheitsberater McMaster.

Was genau erwartet den Präsidenten nun im Vatikan? Keine gezückten Messer und keine Hass-Tweets, soviel ist sicher. Im Papststaat werden Freundlichkeit und Diskretion großgeschrieben, hier wird kein hochrangiger Besucher bloßgestellt. „Man hat kein Interesse daran, Brücken einzureißen“, formuliert der US-Jesuit Thomas Reese, ein ausgewiesener Vatikankenner, im „Catholic National Reporter“. Brücken – das ist das Stichwort. Franziskus versteht sich buchstäblich als Pontifex, als Brückenbauer, und das bestimmt auch seine Art der Diplomatie.

Keine Mauern bauen

„Bei einem Gespräch mit uns Jesuiten von (der Zeitschrift) Civiltà Cattolica hat der Papst gesagt: Die Krise ist global, und darum müssen wir klare Kriterien haben, mit denen wir Gut und Böse in der Welt unterscheiden und verstehen, wie die Dinge laufen.“ Das sagt der italienische Jesuit Antonio Spadaro, ein Franziskus-Vertrauter, im RV-Interview. „Der Papst sieht die Welt als eine komplexe Realität von hoher Diversität; das Risiko besteht darin, dass Barrieren aufgestellt, dass Mauern gebaut werden. Oft sagt er, dass Populismus und Nationalismus zu der Gefahr führen, dass eine Nation sich auf sich selbst zurückzieht. Franziskus hingegen sieht die Welt durchdrungen von einer Sehnsucht nach Begegnung, nach Überwindung der Barrieren. Eine Welt, die zwar offene Wunden hat – doch diese Wunden könnten zu Türen werden. Eine Welt in Bewegung, die aber eine Seele braucht.“

Brücken statt Mauern – das markiert den einzigen Punkt, in dem es zwischen Trump und Franziskus schon zu einem offenen Dissens gekommen ist. Als der US-Wahlkampf noch lief, wurde der Papst von Journalisten auf Trumps Plan angesprochen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko hochzuziehen. Der Papst, der kurz zuvor an der Grenze zwischen Mexiko und den USA gebetet hatte, äußerte daraufhin, wer Mauern baue und nicht Brücken, der sei „nicht christlich“. Woraufhin Trump öffentlich sagte, das finde er „schändlich“.

Hand anlegen

„Der Papst lässt sich gern mit der Wirklichkeit konfrontieren, so wie sie ist, und oft ist diese Realität eben dramatisch! In vielen der Länder, die der Papst bisher besucht hat, gibt es starke Spannungen, und der Papst wollte das buchstäblich mit Händen greifen. So fasst er auch ganz physisch die Mauern an, die in vielen Ländern stehen – das haben wir bei seiner Reise ins Heilige Land gesehen, auch bei der Mauer von Auschwitz... Er sucht die komplexen Situationen, etwa auf Kuba oder in Bangui. Er will sich diesem Drama aussetzen, aber auf die Art und Weise Jesu. Das heißt: Er will Hand anlegen, um zu heilen. Darum geht es ihm immer um diesen direkten, physischen Kontakt zu dieser komplexen Wirklichkeit: Er will die Brücken wieder zusammenfügen und die Wunden heilen.“

In seinen Tweets hat Donald Trump den Papst bisher verschont. Mit einer Ausnahme: Nach der Wahl Bergoglios ins Papstamt 2013 twitterte er, der neue Papst sei ja „ein bescheidener Mann, genau wie ich“. Das erkläre wahrscheinlich, „warum ich ihn so mag“. Bescheidenes Auftreten scheint den neuen Mieter im Weißen Haus zu reizen. Dabei liegt dem Papst tatsächlich viel an einer „Diplomatie der Barmherzigkeit“ – das ist eine Formulierung des neuen italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni.

Der Papst geht voraussetzungsfrei in jede Begegnung

„Im wesentlichen ist damit gesagt: Man kann nichts endgültig verloren geben. Nicht in den Beziehungen zwischen Menschen, und auch nicht in den Beziehungen zwischen Staaten oder streitenden Lagern. Der Papst ist offen zum Dialog mit allen, weil er weiß, dass es oft nicht einfach um gut gegen böse geht, sondern stattdessen um widerstreitende Interessen. Darum muss man mit allen sprechen, nur so kommt man zu einer mittleren, einer diplomatischen Lösung. Nie darf man etwas verloren geben.“

Spadaros Mitbruder aus den USA, Thomas Reese, glaubt ganz und gar nicht, dass das Treffen von Barmherzigkeits-Franziskus und Bester-Präsident-aller-Zeiten-Trump besonders spektakulär ablaufen wird. Zwar sei man bei beiden (!) nicht vor Überraschungen gefeit; doch dem Vatikan liege nun mal an einer „dauerhaften Beziehungen mit der weltgrößten Supermacht“, „und diese wird er nicht für ein paar Schlagzeilen aufs Spiel setzen“.

So sieht das auch Spadaro: „Für den Papst ist die Wirklichkeit immer der Idee überlegen, und die Begegnung ist wichtiger als alles andere. Der Papst denkt nicht ideologisch oder von vorgefassten Begriffen her. Er kennt zwar die Risiken, die es bei jeder Begegnung mit anderen gibt, aber er geht immer voraussetzungsfrei an die Dinge heran, er will wirklich den Menschen kennenlernen und ehrlich sein. Nur aus einer realistischen Begegnung, bei der jeder das sagt, was er denkt, kommt man mit Perspektiven für die Zukunft heraus.“

„Normalerweise gibt es wenig Drama rund um eine Papstaudienz des US-Präsidenten“, urteilt Pater Reese. „Beide Seiten verharmlosen die Konflikte und betonen die Qualität der Debatte.“ Die Chancen stehen gut, dass das diesmal nicht anders läuft.

(rv 20.05.2017 sk)








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