2017-05-14 07:00:00

Adveniat: Menschenwürdige Arbeit in Brasilien fördern


Auch heute noch gibt es Sklavenarbeit: Daran hat Papst Franziskus erst vor Kurzem bei seiner Morgenmesse in der Casa Santa Marta erinnert. Das weiß auch das katholische Hilfswerk Adveniat – unter dem Motto „Faire Arbeit. Würde. Helfen.“ wird Adveniat das Recht auf menschenwürdige Arbeit in den Mittelpunkt der Weihnachtsaktion 2017 stellen. Insbesondere in Brasilien ist das Thema von brennender Aktualität: Das lateinamerikanische Land ist von einer schweren Wirtschaftskrise gezeichnet. Gegen die von der Regierung geplante Reform von Arbeitsmarkt und Rentensystem gehen breite Bevölkerungsschichten auf die Straße, auch die Bischöfe des Landes befürchten eine systematische Aushöhlung der Arbeitnehmerrechte und unterstützen die Proteste. Wir haben mit dem Adveniat-Länderreferenten Klemens Paffhausen gesprochen und ihn gefragt, was die Kernpunkte der Proteste sind.

„Ich denke das muss man im Kontext der letzten Jahre sehen. Brasilien hat einen großen wirtschaftlichen Niedergang zu verzeichnen. Gerade durch die Ölkrise haben sich viele Wirtschaftsprognosen für Brasilien nicht mehr erfüllt. Es kam zu Massenentlassungen, aber auch Massendemonstrationen.“ Bereits im Vorfeld von sportlichen Großereignissen wie der Fußball-WM 2014 und den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr hatten Tausende ihre Wut über das politische System und unliebsame Maßnahmen der Regierung, wie etwa die Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr, auf die Straße getragen. Doch die Proteste bekämen nun eine neue Dimension, meint Paffhausen. „Jetzt kommen viele Brasilianer durch massive Einschnitte im Arbeiterschutzgesetz dazu; denn das lässt die Menschen dann vollends verzweifeln. Für viele ist die Rente die einzige Zuversicht im Alter und bei Arbeitslosigkeit. Da will die eher liberale Regierung massive Einschnitte vornehmen.“

Klare Stellungnahme der Bischöfe

Ungewöhnlich klar haben sich auch die Bischöfe des Landes hinter die gesellschaftlichen Proteste gestellt. Sie hatten die Menschen aufgefordert, an dem Generalstreik Ende April teilzunehmen; es war der größte im Land seit zwei Jahrzehnten. 40 Millionen Menschen gingen gegen die geplanten Reformen auf die Straße.

„Die Kirche,“ so Paffhausen, „ist immer auf der Seite der Armen und Ausgeschlossenen gewesen. Und das kommt jetzt umso mehr zum Ausdruck, wo man feststellen muss, dass das System hat. Die wirtschaftliche Lage ist ohnehin schon angespannt. Beispielsweise in Rio de Janeiro, das wissen wir von Projektpartnern, ist der Bundesstaat pleite – das hat massive Auswirkungen auf das Gesundheitswesen und im Schulwesen, so fällt beispielsweise der Schulunterricht aus.“ Auf der anderen Seite sei ein gravierendes Geflecht von Korruption zu beobachten, dies zeige beispielsweise der Fall des Baukonzerns Odebrecht, der weltweit für Schlagzeilen sorgt. „Das fordert die Kirche zu einem klaren Bekenntnis und zu klarer Parteinahme heraus – denn die Opfer sind die Armen. Und viele haben in Brasilien dank der Vorgängerregierung geschafft, zumindest einen kleinen Ausweg aus der Armut heraus zu finden. Es gab die Sozialprogramme unter Lula, „Bolsa familia“, oder das Programm „Elektrizität für alle“ – also vor allem die ärmeren Regionen, der Nordosten, das Amazonasgebiet, hatten einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung zu verzeichnen. Und das alles wird im Moment abgewickelt und dann auch noch durch solch massive Eingriffe.“ Nichts weniger als die Errungenschaften der Verfassung von 1988 stünden auf dem Spiel, betont Paffhausen, „und da treibt es auch die Kirche an die Seite der Protestierenden.“

Papst Franziskus und die Bischöfe schaffen Aufmerksamkeit

Die Bischöfe Brasiliens trügen in diesem Zusammenhang zur Versachlichung der Debatte bei, honoriert der Länderreferent von Adveniat den Einsatz der Kirche. „Anderseits schaffen sie einen Blick für die armen Menschen und für bestimmte Maßstäbe, die eingehalten werden. Zum Beispiel, dass Korruption kritisiert worden ist und Politiker und Wirtschaftsleute immer wieder angemahnt wurden, nicht nur den Profit im Auge zu haben, sondern eine menschlich positive Entwicklung. Das ist ja an sich nichts Neues, aber das kristallisiert sich hier noch einmal besonders heraus. Denn dafür zeigen die politischen Scharmützel, die momentan betrieben werden, doch zu offensichtlich, dass hier wieder nur Klientelpolitik und Interessenspolitik betrieben wird. Insofern glaube ich, dass die Kirche hier eine sehr wichtige Aufgabe hat, auch längerfristige Perspektiven aufzuzeigen.“

Die Aufmerksamkeit, die Papst Franziskus dem Thema der menschenwürdigen Arbeit zumisst, sei dabei eine große Hilfe für die Kirche, aber auch für die Menschen im Land, ist sich der Adveniat-Referent sicher.

„Klar Stimme zu erheben - er spricht ja auch in Bildern – das ist das, was auch die Menschen in Brasilien umtreibt. Man will mindestens von seiner Arbeit leben können, seine Familie ernähren, sein eigenes Haus bewohnen – also minimalen Lebensstandard haben. Und genau das sehen viele Menschen in Gefahr.“

Krise als Chance

Ob die angestrebten Reformen Erfolg versprechen – das sei zu bezweifeln, sagt Paffhausen skeptisch. Denn die jetzige Regierung habe einen klaren Kurswechsel gegenüber der Vorgängerregierung vorgenommen – und das nach einem fragwürdigen Amtsenthebungsverfahren für die damalige Präsidentin Dilma Rousseff. Und eines der Hauptprobleme des Landes sei noch immer die Korruption: Das zeigen die zahlreichen Gerichtsverfahren gegen aktuelle Regierungsmitglieder und die Details, die aus dem Schmiergeldskandal um den internationalen Baukonzern aus Brasilien Odebrecht bekannt werden. Doch vielleicht biete der Skandal auch eine Chance, meint Paffhausen: 

„Und dennoch: Die Menschen gehen auf die Straße, Medien berichten darüber und auch die Kirche nimmt eine kritische Rolle ein – man kann dem auch etwas Positives abgewinnen: Hier wird etwas aufgedeckt und kritisiert. Vielleicht, das wäre meine stille Hoffnung, kommt am Ende doch was Positives raus. Wir sehen beides: Die Unzufriedenheit bricht sich Bahn und es ist auch Ausdruck einer demokratischen Entwicklung, die zunächst mal positiv zu sehen ist.“

(rv 14.05.2017 cs)








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