2017-05-05 13:57:00

Brasilien: Bischöfe fordern Weg aus Krise


Wirtschaftliche Krise, politische Proteste auf der Straße, eine zutiefst gespaltene Gesellschaft - ein Ausweg ist nicht in Sicht. Das ist das aktuelle Bild nicht nur in Venezuela, sondern auch in Brasilien. Dort nämlich protestieren seit Monaten schon Tausende, zuletzt Millionen Brasilianer im ganzen Land gegen Arbeitsmarkt- und Rentenpläne der Regierung des umstrittenen Präsidenten Michel Temer. Jetzt positionieren sich auch die katholischen Bischöfe Brasiliens: Sie fordern nach ihrer Vollversammlung ein Umdenken in allen Teilen der Gesellschaft. Mit Kritik an der Regierung spart die Bischofskonferenz in ihrem Abschlussdokument nicht.

Zehn Tage saßen die Bischöfe Brasiliens zusammen. Dies kann als ungewöhnlich lang für eine Vollversammlung erscheinen. Doch die lange Sitzungsdauer war nicht nur der Größe des Landes und den vielen Bischöfen, die zu Wort kommen mussten, geschuldet, sondern auch der aktuellen Situation. Die sei nämlich äußerst prekär, warnt der Erzbischof von Sao Paolo, Kardinal Odilo Pedro Scherer, nach der Versammlung:

„Wir sind besorgt über die aktuelle Situation, nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich, sozial, und die ethische Situation der brasilianischen Gesellschaft als solche. Also haben wir auch ausführlich über die brasilianische Gesellschaft gesprochen. Wir wollten uns fragen, wohin geht Brasilien, wie geht es weiter: So wie es derzeit steht, kann es nicht weitergehen.“

Während die Bischöfe Ende April zusammen saßen, tobte auf den Straßen in ganz Brasilien der Protest. 40 Millionen Menschen nahmen am größten Generalstreik seit über 20 Jahren teil. Dass sie ihren Unmut gegen die Regierung zeigen sollten, dazu hatten zuvor auch 99 brasilianischen Bischöfe aufgerufen. Der Generalstreik blieb größtenteils friedlich, in einigen Städten eskalierte aber die Lage. Das Straßenbild: Brennende Busse und Autos, zerbrochene Scheiben von Banken und Geschäften. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein.

Der Unmut der Bevölkerung richtet sich gegen Präsident Temer und seine Pläne, die weiter schrumpfende Wirtschaft des Landes wieder anzukurbeln. Er will den Staatshaushalt einfrieren. Die Folge: Bildungs- und Sozialprogramme werden gekürzt. Außerdem will die Regierung, dass Männer erst mit 65 und Frauen mit 60 Jahren in Rente gehen können – das sind fünf und sieben Jahre mehr als bisher. Mit den Sparplänen will die Regierung ausländische Investoren anlocken. Kritiker werfen ihr dagegen vor, die Arbeiter zurück in die Sklaverei zu führen und Politik nur für die Unternehmen zu machen. Dem schließen sich die Bischöfe mit den Worten von Papst Franziskus an: „Geld muss dienen und darf nicht regieren.“

Die Bischofskonferenz sprach bei ihrer Versammlung auch über mögliche Wege aus der Krise und die fehlende Zuversicht der Menschen. Wie das gelingen soll, erklärt Kardinal Scherer:

„Wir wollen wieder mit den guten Prinzipien anfangen: Im Zusammenleben, im Sozialen, im wirtschaftlichen und im politischen Sinn und in der Erziehung, in der Familie, in der Kirche und in der Gesellschaft als solcher. Es braucht etwas Neues, um die Gesellschaft neu zu gestalten.“

Ein Aufruf zu Neuwahlen? Findet sich kein Ausweg aus der derzeitigen Lage, könnten Zustände wie in Venezuela drohen, warnen jedenfalls Politikwissenschaftler. Auch die brasilianischen Bischöfe rufen zu einer „tiefgreifenden Reform des brasilianischen politischen Systems“ auf. In ihrer Schlusserklärung weisen sie darauf hin, dass tatsächlich der Eindruck entstehe, die Regierung handle nur in eigenem Interesse. Die Warnung der katholischen Bischöfe Brasiliens: Am Ende könnte ein autokratisches System drohen.

(rv 05.05.2017 fr) 








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