2017-05-04 11:01:00

Frankreich: Streit um Wahlverhalten der Katholiken


Die Tatsache, dass die Bischöfe keine klare Wahlempfehlung zur Stichwahl um das Präsidentenamt geben, hat eine Debatte in Frankreichs katholischer Kirche ausgelöst. Die stellvertretende Chefredakteurin der katholischen Tageszeitung La Croix, Isabelle de Gaulmyn, prangert in einem Blog das „Schweigen der Bischöfe“ an: „Es gibt nicht mehr diesen Willen wie 2002, dem Extremismus einen Riegel vorzuschieben.“ 2002 hatten die Bischöfe, anders als diesmal, ausdrücklich vor der Wahl des rechtsextremen „Front National“ (FN) gewarnt.

Einzelne Bischöfe, darunter die Erzbischöfe von Rennes und Aix-en-Provence, haben individuell dazu ermahnt, in der Stichwahl an diesem Sonntag nicht Marine Le Pen (FN) die Stimme zu geben. Der Bischof von Toulon, Dominique Rey, verteidigt hingegen die Haltung der Bischofskonferenz. Die Kirche müsse „bei ihren Leisten bleiben“ und dürfe lediglich „an Prinzipien erinnern“. Rey hat vor zwei Jahren die FN-Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen zu einer Sommerakademie seines Bistums eingeladen.

Am Sitz der Bischofskonferenz wird eingeräumt, dass man seit einer Woche „von Vorwürfen überhäuft“ werde, das sei „gewaltsam“. Die praktizierenden Katholiken machen zwischen 10 und 15 Prozent der Wahlberechtigten aus; zwei Drittel von ihnen haben beim ersten Wahlgang für einen Kandidaten gestimmt, der nicht in die Stichwahl gekommen ist. Damit sind sie nach Angaben eines Wahlforschers diesmal „eine der wichtigsten, verwaisten Gruppen“. Der FN verfüge „über eine reale Anziehungskraft auf praktizierende Katholiken“.

La Croix und die katholische Wochenzeitschrift La Vie haben in ihren Leitartikeln zur Wahl des überparteilichen Kandidaten Emmanuel Macron aufgerufen. Die Tageszeitung Le Monde urteilt an diesem Donnerstag, die „Spaltungen in der katholischen Kirche“ lägen „offen zutage“. Anders als die Bischofskonferenz hätten die jüdischen, protestantischen und muslimischen Institutionen Frankreichs klar vor einer Wahl Le Pens gewarnt. „Die Kirche Frankreichs scheint resigniert zu haben und die extreme Rechte nur noch als banal anzusehen.“ Eine von Le Monde in Auftrag gegebene Umfrage hat ergeben, dass 46 Prozent der Katholiken – ohne Unterscheidung zwischen praktizierend oder nicht-praktizierend – am Sonntag für Marine Le Pen stimmen wollen.

(le monde/rv 04.05.2017 sk)








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