2017-04-29 11:04:00

Messe in Kairo: Papst für „Extremismus der Nächstenliebe“


Zweiter und letzter Tag des Papstbesuchs in Ägypten: In einem Stadion am Stadtrand von Kairo hat Franziskus die Messe mit Gläubigen der katholischen Minderheit gefeiert. In einem Golfwagen fuhr der Papst durch das Stadionrund, um die Menschen zu begrüßen, an seiner Seite den koptisch-katholischen Patriarchen Ibrahim Sedrak von Alexandria; ein Chor sang dazu das „Halleluja“ von Händel und „Tochter Zion, freue dich“. Später, während der Messfeier, erklangen dann vorwiegend arabische Gesänge.

In seiner Predigt sprach Franziskus über das Lukasevangelium, das von der Begegnung der Emmausjünger mit dem Auferstandenen berichtet. Die beiden Jünger seien aus Jerusalem regelrecht „davongelaufen“ vor Enttäuschung über den Tod Jesu. „Das Kreuz Christi war das Kreuz für ihre Vorstellungen über Gott; mit dem Tod Christi war das gestorben, wovon sie dachten, dass es Gott wäre. Denn sie waren die Toten im Grab ihres begrenzten Verständnisses.“

Es sei wichtig, dass wir uns nicht in ein begrenztes, selbstgemachtes Gottesbild einschließen lassen, so der Papst. „Wie oft verzweifelt der Mensch, wenn er sich weigert zu glauben, dass die Allmacht Gottes nicht Allmacht der Gewalt, der Autorität bedeutet, sondern allein Allmacht der Liebe, der Vergebung und des Lebens!“ Christen sollten die „Verhärtung ihrer Herzen und ihrer Vorurteile aufbrechen“, sonst könnten sie „nie das Angesicht Gottes erkennen“.

„Besser, nicht zu glauben, als ein Heuchler zu sein“

In seiner Predigt vermittelte Franziskus eine Botschaft der Hoffnung: Die „Erfahrung des Kreuzes“ führe auch heute zur „Wahrheit der Auferstehung“, und diese siege über die Verzweiflung. „Die Erfahrung der Emmausjünger lehrt uns, dass es nichts nützt, die Gotteshäuser zu füllen, wenn unsere Herzen leer sind ohne Gottesfurcht und Ehrfurcht vor seiner Gegenwart; es nützt nichts, zu beten, wenn unser Gebet zu Gott nicht zur Liebe zum Mitmenschen wird... Bei Gott ist es besser, nicht zu glauben, als ein falscher Gläubiger, ein Heuchler zu sein!“

Das war eine klare Mahnung an die katholische Minderheit in Ägypten, sich nicht in sich selbst zu verschließen und sich nicht grollend von Christen anderer Riten oder von der muslimischen Mehrheit der Bevölkerung abzugrenzen. Tatsächlich bezeichnen sich viele Kopten gern als echte Nachfahren der alten Ägypter, während die Muslime in der Regel spätere Einwanderer seien. „Der echte Glaube macht uns mildtätiger, barmherziger, ehrlicher und menschlicher; er beseelt die Herzen, um sie dazu zu bringen, alle bedingungslos zu lieben, ohne Unterschied und Bevorzugungen; er bringt uns dazu, im anderen nicht einen Feind zu sehen, der besiegt werden muss, sondern einen Freund, den man lieben, dem man dienen und helfen soll...“

„Alle lieben, Freunde und Feinde“

Sie sollten „keine Angst haben, alle zu lieben, Freunde und Feinde“, fuhr Franziskus eindringlich fort. „Der einzige Extremismus, der für die Gläubigen zulässig ist, besteht in der Nächstenliebe! Jeglicher andere Extremismus kommt nicht von Gott und gefällt ihm nicht!“

Die Lesungen der Messe wurden auf Arabisch vorgetragen; Franziskus zelebrierte auf Latein. Seine Predigt hielt er auf Italienisch, ein Priester übersetzte ins Arabische. Das Geläut von Kirchenglocken kam vom Band. Das staatliche Fernsehen spielte zu Beginn der Übertragung Aufnahmen ein, auf denen Papstposter, an Luftballons hängend, vor den Pyramiden und dem „Cairo Tower“ in die Lüfte steigen.

„Immense Dankbarkeit“ der katholischen Kopten für den Papstbesuch

Zum Abschluss der Messfeier sprach auch der Patriarch der koptisch-katholischen Minderheit, Abraham Isaak Sidrak. Er verlieh seiner „immensen Dankbarkeit“ für den Papstbesuch Ausdruck; dieser sei Freude und Segen zugleich. „Ihren Besuch und die Aufnahme seitens des gesamten ägyptischen Volkes, kann man in den Worten des Mottos zusammenfassen, das gewählt worden ist, nämlich „Der Papst des Friedens im Ägypten des Friedens.“ Dieses Motto sei eine „Bestätigung“ der „Natur des Landes“, das sich fortwährend um Frieden auch zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften und Kulturen bemühe. Eingehend auf die Namenswahl des Papstes, erinnerte der Patriarch an den Besuch des Heiligen Franziskus in Ägypten, der sich bald zum 800. Mal jährt. Nach dem Vorbild des Heiligen arbeite der Papst dafür, Frieden zu stiften und habe ein Leben von Armut und Einfachheit gewählt, würdigte das Oberhaupt der katholischen Kopten des Papst. Besonderen Dank reservierte der Patriarch auch für die staatlichen Autoritäten, die den Papst eingeladen und seinen Besuch unterstützt hatten.

Hohe Sicherheitsmaßnahmen

Die Sicherheitsmaßnahmen waren spürbar hoch; über den Köpfen der Messbesucher kreiste eine Drohne. Die Altarinsel, auf der Franziskus die Messe feierte, war mit Blumen in den Vatikanfarben Gelb und Weiß geschmückt, über ihr spannte sich zum Schutz vor der Sonne ein Zeltdach.

Als Pharaonen verkleidete Kinder hatten den Papst zu Beginn willkommen geheißen; ansonsten verhinderten Sicherheitsbeamte jedwedes „Bad in der Menge“. Fotografen, die sich in die Bahn des Papstwagens wagten, wurden von ägyptischen Ordnern beiseite geschubst.

Das „Air Defense Stadium“ war mit etwa 20.000 Menschen etwas schütter besetzt; in Ägypten leben zwischen 150- und 200.000 katholische Kopten. Die sechs anderen katholischen Riten, darunter die „Lateiner“ und Chaldäer, fallen zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Das Fußballstadion, in dem Franziskus die Messe feierte, liegt auf einem Gelände der ägyptischen Luftwaffe; es entstand 1970 zum Andenken an den Krieg Ägyptens gegen Israel. 2015 starben hier am Rand eines Fußballspiels mehr als zwanzig Menschen, als junge Fußballanhänger sich eine Schlacht mit der Polizei lieferten.

(rv 29.04.2017 sk)








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