2017-04-09 09:04:00

Europa: Hoffnungsvolle Projekte für Rom-Angehörige


Die Situation der Rom in Europa stand im Zentrum einer Konferenz, die an diesem Freitag in der Ungarischen Akademie Roms organisiert worden ist. Fachleute aus allen Teilen des Kontinents tauschten sich bei dem eintägigen Treffen über die Pastoral und die soziale Integration der oftmals am Rand der Gesellschaft stehenden größten Minderheit Europas aus. Vertreter des Heiligen Stuhls war Kardinal Peter Turkson, er las zu Ende seines Vortrages auch eine Botschaft von Papst Franziskus vor. Darin dankte der Papst den Anwesenden für ihren Einsatz und bestärkte sie darin, weiter zu machen mit ihren Bemühungen, die Rom verstärkt in die Gesellschaft zu integrieren. Eduard Habsburg-Lothringen ist Botschafter Ungarns beim Heiligen Stuhl. Auf seine Initiative hin ist die hochkarätig besetzte Konferenz zustande gekommen, die, so verrät er uns, auch ein persönliches Anliegen von ihm war:

„Es waren zwei Impulse: Einerseits eine persönliche familiäre Beziehung seit der Zeit meines Großvaters Joseph von Habsburg in Ungarn, der sich persönlich für die Rom eingesetzt hat, das erste Lexikon der Zigeunersprachen herausgegeben hat, mit ihnen gereist ist – und seitdem ist meine Familie engstens mit den Rom verbunden. Das ist der familiäre Hintergrund, warum ich das immer machen wollte. Dann die Erfahrung, dass ich im letzten Jahr sowohl in Rom als auch in Ungarn Siedlungen besucht habe, die Probleme, Chancen und viele spannende Projekte gesehen habe und mir gedacht habe, man sollte über die positiven Projekte und die Dinge sprechen, die Hoffnung machen. Ich möchte Menschen zusammenbringen, die mit Rom arbeiten und Hoffnung haben..“.

Hoffnung wird hier groß geschrieben

Doch die Situation der Rom in Ungarn sei vielleicht ein wenig anders als in anderen Ländern, gibt Habsburg  zu bedenken.  Denn Ungarn setze sich bereits seit vielen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, intensiv mit den Rom auseinander: „Bei uns sind die Rom auch nicht Durchreisende - bei uns sind die Rom Teil der ungarischen Geschichte und Kultur und werden sehr ernst genommen. Ich glaube, dass es in Ungarn sehr viel Hoffnung gibt: Wir haben die niedrigste Rate an Arbeitslosigkeit bei den Rom in Europa und wir haben die höchste Zahl an Rom, die an Universitäten studieren. Es wird wirklich viel unternommen und ich bin relativ hoffnungsvoll.“

Überhaupt, die Hoffnung, die wird auf dem Kongress besonders betont. Denn, so schmunzelt der Botschafter Ungarns beim Heiligen Stuhl, Schwierigkeiten mit der Integration von Rom gebe es viele – doch man wolle den Scheinwerfer einmal auf die hoffnungsvollen Projekte richten. Eines davon sei ein Studienhaus in der Nähe von Debrecen, wo Rom- und Nicht-Rom-Studenten zusammen studieren, ein anderes ungarisches Projekt gelte Rom-Kindern, die in betreuter Gemeinschaft leben und studieren und so an die Selbstständigkeit heran geführt werden.

Einfache Projekte mit großer Wirkung

„In Italien hat mich besonders beeindruckt, was Sant’Egidio macht. Es ist ganz einfach: es gibt eine Gruppe von Menschen, die jeden Morgen um 5 Uhr aufsteht, in das Camp fährt, die Rom-Kinder weckt, sie dabei unterstützt, dass sie ihre Schulsachen vorbereiten und sie zum Bus begleitet, damit sie einfach praktisch in die Schule kommen. Denn nur wenn sie in die Schule kommen, haben sie irgendeine Chance, diesem Teufelskreis zu entkommen, dass man immer an diese Lager gefesselt ist. Ich hätte auch keine Hoffnung, wenn ich in so einem Lager leben würde, was ich hier gesehen habe.“

Das Ziel der Konferenz also: hoffnungsvolle Projekte zu zeigen und sich über deren Gelingen auszutauschen. Doch natürlich gibt es auch Schattenseiten, die Integration der Rom hakt an vielen Ecken und Enden. Ungarn selbst hat bekanntermaßen derzeit viele Probleme mit der Flüchtlingsfrage – könnten sich diese Probleme auf die Integration der Rom auswirken?, wollten wir vom Botschafter wissen.

Flüchtlinge und Rom - gibt es hier einen Zusammenhang?

„Ich glaube, das ist schon etwas anderes. Die meisten Ungarn wissen, dass die Rom unsere Rom sind. Doch die wahrgenommene Bedrohung von Menschen, die von außen kommen, ist etwas ganz anderes. Die Bürger Ungarns wissen, dass es unsere Rom sind, sie wissen, dass es Schwierigkeiten mit unseren Rom gibt, sie wissen, dass es Projekte gibt, die von der Regierung stark gefördert werden und irgendwo dazwischen ist die Realität aufgehängt.“

Eine wichtige Zielmarke: Das Jahr 2020. Bis dahin sollen nach dem Willen der Europäischen Union deren Mitgliedsländer die Integration von Rom und ihre soziale Situation deutlich verbessert haben. Ungarn sei bereits ein gutes Stück vorwärts gekommen auf diesem Weg, zeigt sich Eduard Habsburg-Lothringen überzeugt.

„In einigen Bereichen sind wir stolz, ein Vorbild zu sein und in anderen Bereichen müssen wir noch lernen. Aber ich bin relativ optimistisch, dass Ungarn gut voranschreitet.“

Malteserorden: Sensibel für die Situation der Rom

Besonders sensibel für die Situation der über alle Länder Europas verteilten Rom – Schätzungen zufolge sind es 12 Millionen, die auf dem Kontinent leben – zeigt sich der Malteserorden. Er hat einen eigenen Botschafter für die Rom, Graf Franz Salm-Reifferscheidt. Er sieht als seine Aufgabe, nicht nur die Belange der Rom in die Öffentlichkeit zu tragen, sondern auch die einzelnen lokalen Malteserorganisationen in ihrer Arbeit zu unterstützen. 

„Das gelingt mir z.B. sehr gut in Rumänien: Da gab es bevor ich angefangen hab kein einziges Roma-Projekt, und das in einem Land mit 2 Millionen Roma. Es gab viele Projekte, wo auch Roma betreut wurden, wie Obdachlose oder alte Leute oder es gab Suppenküche usw. Da kamen auch Roma hin, aber keine speziellen Projekte zur Integration der Roma. Inzwischen habe ich fünf Projekte und das heißt natürlich auch, dass die Landesorganisation ihre Organisationen in den einzelnen Ortschaften stärken muss, um die Projekte umzusetzen. Das ist auch eine meiner Aufgaben.“

Ein Projekt liege ihm besonders am Herzen, denn es zeige, wie kleine Anfänge weite Kreise zögen, erzählt er uns. Auch dieses liege in Rumänien, wo Rom in einer unzugänglichen Gegend ohne Strom und Wasser hausen – eine Misere, aus der nur schwer zu entkommen ist. Auch hier, wie bei so vielen Erfolg versprechenden Projekten, nahm die Arbeit ihren Anfang in den Schulen: Es wurde ein Aushang gemacht und den Kindern kostenloser Reitunterricht angeboten.  

„Es wurde ein Reitlehrer genommen und er sollte die besten 12 Kinder aussuchen. Alle 12 waren Zigeuner. Und von dem aufbauend gibt es inzwischen 85 Kinder, die dort betreut werden und die Tischlerei, Weberei, Schneiderei, Kosmetik lernen. Seit November gibt es auch eine kleine Musikschule. Die Lehrer in den Schulen haben wir gefragt, was sich denn bei diesen Kindern geändert hat: höheres Selbstwertgefühl, sauber und höflich und deutlich besser in der Schule – so kann man arbeiten.“

(rv 09.04.2017 cs)








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