2017-04-07 10:50:00

Papstinterview: „Migration bedeutet Wachstum für alle“


„Die Migrationen bieten, wenn sie auf menschliche Weise geregelt werden, eine Gelegenheit zur Begegnung und zum Wachstum für alle.“ Das hat Papst Franziskus in einem Interview betont, das an diesem Freitag veröffentlicht wurde. Beredt bricht der lateinamerikanische Papst in dem Gespräch mit der Zeitschrift  „Libertà Civili" des italienischen Innenministeriums eine Lanze für die Aufnahme und Integration von Migranten.

„Wir dürfen nicht den Sinn für geschwisterliche Verantwortung verlieren“, so Franziskus wörtlich. „Die Verteidigung des Menschen kennt keine Barrieren: Wir sind alle eins in dem Willen, jedem Mann, jeder Frau, jedem Kind, die zum Verlassen ihres Landes gezwungen sind, ein würdiges Leben zu garantieren.“

Das sei eine gemeinsame Aufgabe für alle Kirchen und für alle Religionen, hob der Papst hervor. „Genau hier können wir zeigen, dass wir Geschwister sind, die jeden Tag am Aufbau des Guten arbeiten“. Und weiter: „Wenn die Regierenden der verschiedenen Länder einen ähnlichen Bund eingehen würden, dann könnte man vielleicht Konkreteres für die Migranten und Flüchtlinge auf globaler Ebene erreichen!“

Mit seinen Besuchen auf den Inseln Lampedusa und Lesbos habe er die Welt „auf das Gesicht schuldloser Menschen“ hinweisen wollen, „die vor Kriegen, Gewalt und Verfolgungen flüchten“. „In Europa und anderen Teilen der Welt erleben wir einen kritischen Moment, was die Regelung der Migrationspolitik betrifft. Die Regierenden brauchen Weitsicht und Zusammenarbeit, damit die grundlegenden Menschenrechte gewahrt bleiben – und um den Ursachen für Zwangsmigration ein Ende zu machen.“

Austausch von Kulturen und Wissen ist ein Reichtum

Europa habe im Lauf seiner Geschichte immer wieder Epochen erlebt, in denen viele seiner Bürger auswanderten, so Franziskus, der selbst der Sohn piemontesischer Einwanderer nach Argentinien ist. An diese Erfahrungen solle sich der Kontinent jetzt erinnern. Auch Europäern sei die Integration etwa in Südamerika oder den USA keineswegs immer leichtgefallen. „Man sollte sich also bewusst sein, dass Migranten wirklich etwas in ihrem neuen Land einbringen. Die Europäer haben viel zum Wachstum der Gesellschaften auf der anderen Seite des Ozeans beigetragen. Die Geschichte wiederholt sich. Der Austausch von Kulturen und Wissen ist ein Reichtum und sollte als solcher wertgeschätzt werden.“

Integration sei „keine Einbahnstraße“, fuhr der Papst fort. Die Bildung von „Ghettos“ müsse unbedingt vermieden werden. Deutlich warb er für großzügige Lösungen beim Nachholen von Familienmitgliedern; das sei durchaus wichtig für die Integration von Migranten in ihrer neuen Heimat. Die Medien erinnerte er an ihre Verantwortung, über das Thema Flucht und Migration ausgewogen zu berichten. „Gute Information kann die Mauern der Angst und der Gleichgültigkeit niederreißen. Der Andere, der Fremde erschreckt uns nur solange, wie wir ihn nicht kennen. Wenn wir ihn erzählen lassen und das zu den Menschen bringen, dann werden Stereotypen überwunden, und es kommt zu echter Begegnung.“ Vergehe erst einmal die Angst, dann öffneten sich auch die Türen, war sich Franziskus sicher.

Auf keinen Fall dürfe man das Migrations- und Flüchtlingsproblem so behandeln, als ob es hier „nur um Zahlen, um Wirtschaft oder um Sicherheit“ gehe. „Die Migrationsfrage bedeutet eine tiefergehende Anfrage, das zielt vor allem auf das Kulturelle.“

(rv 07.04.2017 sk)








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