2017-03-30 10:55:00

Großbritannien: „Es kann alles auseinanderbrechen“


Jetzt ist es offiziell und amtlich: Die britische Regierung hat am Mittwoch die Austrittserklärung Großbritanniens aus der Europäischen Union eingereicht. Freude herrscht bei den Befürwortern der Brexit, Trauer bei den EU-Anhängern auf den Britischen Inseln – und nicht nur dort. Wie es nun weitergeht, steht noch in den Sternen. Mit dem Brexit könnte das Auseinanderbrechen Großbritanniens eingeleitet werden, sagt Johannes Arens, Domkapitular von Leicester, im Gespräch mit dem Domradio. Das Problem sei nicht die Beziehung zur EU, sondern der Umgang unter den Engländern, Schotten und Iren im Vereinten Königreich. Mit ihrem harten, patriotischen Kurs vergrätze Premierministerin May die Schotten und verunsichere die Iren.

„Einige sind begeistert, andere sind ausgesprochen wütend darüber. Das Land ist sehr gespalten in der Frage, denn die Abstimmung war ungefähr halb-halb, und daran hat sich nicht besonders viel geändert“, sagt Johannes Arens. „Vielen Leuten geht auf, dass das nicht so einfach wird. Die Zahl von Gesetzen, die jetzt geändert werden müssen, liegt bei etwa 40, 50 pro Tag, da weiß auch niemand, wie das gehen soll. Nach 40 Jahren EU-Mitgliedschaft hat die britische Bürokratie gar nicht die Expertise. Da wird vielen Menschen sehr mulmig, wenn sie an die nächsten zwei Jahre denken.“

Vieles sei noch unklar, so Arens. Es laufe im Moment ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof, welches prüfe, ob denn die Austrittserklärung wirklich bindend sei oder ob das Parlament in zwei Jahren sagen könne: Der Deal gefällt uns nicht, wir bleiben doch in der EU.

„Und wenn die Austrittserklärung nicht bindend ist, dann kann das durchaus passieren. Therese May (die britische Regierungschefin, Anm. d. Red.) bleibt ja nichts anderes übrig, als das Ergebnis des Referendums auch wirklich umzusetzen. Aber die 48 Prozent, die für den Verbleib in der EU gestimmt haben, fühlen sich überhaupt nicht vertreten; da gab es eine Riesendemonstration am Samstag mit zigtausend Menschen in London, die sehr deutlich gemacht haben, dass ihnen das nicht passt.“

Es sei ein realistisches Szenario, dass Großbritannien auseinanderbrechen könnte, urteilt der Domkapitular von Leicester. „Ja, durchaus. Wenn der Deal nach zwei Jahren schlecht ist, dann werden die Schotten für die Unabhängigkeit stimmen, da bin ich mir relativ sicher. Und wir haben jetzt schon die zweithöchste Terrorwarnstufe - nicht nur von Leuten, die einen islamistischen Hintergrund haben, sondern auch von neueren Splittergruppen der IRA. In Irland gibt es eine ganz große Unzufriedenheit. Dass das Thema der harten Grenze zwischen Nord- und Südirland wieder aufs Tapet kommt, macht viele Leute sehr nervös. Der Friedensprozess in Nordirland ist dadurch massiv gefährdet.“

(domradio 30.03.2017 mg)








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