2017-03-29 09:49:00

Afghanistan: Kleine Schwestern verlassen Kabul


Was die Taliban und die sowjetische Besatzung Afghanistans nicht geschafft haben, dafür sorgt jetzt der Mangel an neuen Berufungen: Die Ordensgemeinschaft der „Kleinen Schwestern” verlässt nach sechzig Jahren Kabul. Ungeachtet der Schwierigkeiten, Kriege und Terroranschläge waren die Schwestern stets an der Seite der Bedürftigen verblieben, doch nun sehen sie aus Nachwuchsmangel keine Zukunft mehr in Afghanistan, dem Land, dessen Einwohner zu fast hundert Prozent Muslime sind und in dem es keinen Dom und keine Pfarrkirche gibt, nur eine Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft.

Sie waren „Afghaninnen unter Afghanen“, sagt der Barnabitenpriester Giuseppe Moretti über die Kleinen Schwestern. Er muss es wissen: Moretti war 18 Jahre lang Kaplan in Kabul - stationiert auf dem italienischen Botschaftsgelände. Niemals hätten die Schwestern die afghanische Hauptstadt verlassen, weder während der sowjetischen Besatzung noch unter dem Terrorregime der Taliban und auch nicht während der heftigsten Bombardements, erzählt Pater Moretti. Es sei gerade ihre stille und unauffällige Hingabe an den Nächsten gewesen, die ihnen die Achtung der Bevölkerung eingebracht habe. Auch als die NATO im Jahr 2002 ins Land gekommen sei,  hätten sie mit Freundlichkeit jedes Interviewangebot abgelehnt. „Dies nicht nur, um nicht zur Zielscheibe zu werden oder als Spione zu gelten, sondern wirklich aufgrund ihrer Hingabe und Reserviertheit,“ ist die Einschätzung des Kaplans gegenüber der Vatikanzeitung L' Osservatore Romano. Viele Frauen in Kabul hätten sich während der vergangenen Jahrzehnte hilfesuchend an die Kleinen Schwestern gewandt - in der Gewissheit, dass ihre Geschichte bei diesen sicher aufgehoben sei.

Afghaninnen unter Afghanen

Die Schwestern hätten wie die Einheimischen gelebt, berichtet der Kaplan. Sie „schliefen auf Teppichen auf dem Boden, haben Farsi gesprochen und traditionelle Gewänder angezogen“. Aus diesem Grund waren die Schwestern so hoch angesehen, dass sie in den letzten Jahren sogar die afghanische Staatsbürgerschaft erhielten. Die Schwestern pflegten auch zu scherzen, dass es nicht wahr sei, dass es überhaupt keinen christlichen Afghanen gebe, erzählt der Pater, der selbst für seinen Friedenseinsatz in Afghanistan ausgezeichnet worden ist und eine „Friedens-Schule“ an der Peripherie von Kabul gegründet hat. Bemerkenswert genug: Die Schwestern wurden sogar von den Taliban respektiert, so dass sie trotz aller Repressalien ihrem Glauben nachgehen konnten - unauffällig, versteht sich. „1993 gingen sie jeden Freitag in die Kapelle der Botschaft, um dort zu beten, obwohl sie aufgrund des Bürgerkriegs geschlossen war. Die Taliban wussten, wer sie waren, und haben sie dennoch immer eintreten lassen. Auf der Fassade der Kapelle ist gut sichtbar ein Kreuz angebracht. Die Zentrale der Religionspolizei war gleich neben der Botschaft. Sie hätten die Kapelle zerstören können, aber sie haben es nicht getan.“

Die Geschichte der Kleinen Schwestern in Kabul dauerte bis zum vergangenen Februar – dann haben die letzten beiden Ordensfrauen, Marianne und Catherine, das Land verlassen. 

(rv 29.03.2017 cs)

 








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