2017-03-09 08:00:00

Papstinterview: „Ich kenne auch die leeren Momente“


Er war in Hamburg, aber nicht in Augsburg. Er versteht Deutsch, aber nur wenn es langsam gesprochen wird. Und nein, in diesem Jahr kommt er wohl nicht nach Deutschland: Papst Franziskus hat zum ersten Mal in seinem Pontifikat einem deutschsprachigen Medium ein Interview gegeben, es erscheint in der Wochenzeitung „Die Zeit“ unter dem Titel „Ich bin Sünder und bin fehlbar“.

Es ist mehr ein Gespräch als ein klassisches Interview, amüsant - es wird viel gelacht, es kommen die Themen Zölibat und Frauendiakonat auf den Tisch, es geht um Angst und Freiheit, es geht um Humor und Widerstände gegen ihn als Papst, es geht um den Malteserorden und seinen Aufenthalt in den 80er Jahren in Deutschland. Den interessantesten Teil bildet aber wohl die Passage zu Glauben und Zweifeln. Ohne Krisen und ohne Zweifel könne man nicht wachsen, sagt der Papst, und das sei im Glauben nicht anders. Eingeleitet wurde das durch eine Frage nach den Glaubenskrisen, die unter Gläubigen immer gerne ausgespart würden; dem Papst gibt das die Gelegenheit, Krisen als Weg zu einem erwachsenen Glauben zu beschreiben. Auch er kenne die leeren, dunklen Momente, in denen man mit Gott nicht klar komme. Die Stelle gibt den Ton des Gesprächs wieder.

Mehr Gespräch als Interview

Und so werden alle Themen des insgesamt sehr langen Gesprächs von dieser Dimension des Glaubens her beleuchtet. Ob es einen Teufel gibt und ob er daran glaube, wird der Papst gefragt. Und ohne herum zu reden, antwortet er mit Ja und erzählt von diesem seinem Glauben.

Auch die Frage nach dem Priestermangel und die Anschlussfrage nach einem womöglich freiwilligen Zölibat hat ihren Grund in der erlebten Gemeindesituation des Fragers, nicht in abstrakten Überlegungen zu Gerechtigkeit oder Gleichheit.

Die Kirche müsse das Problem der fehlenden Berufungen lösen, sagt der Papst; dazu brauche es erstens Gebet und zweitens Jugendarbeit. Der freiwillige Zölibat sei aber keine Lösung, sagt der Papst sehr deutlich. Zur Weihe von „erprobten Männern“, so genannten Viri probati, äußert er dagegen, dass darüber nachgedacht werden müsse.

„Habt keine Angst! Das macht uns frei“

Immer wieder kommt es in dem Gespräch zu Aussagen wie „Habt keine Angst! Das macht uns frei“, kurz gefasste Überzeugungen, die unscheinbar daher kommen, aber viel Gewicht haben. Es spricht für den Gesprächspartner, den Verlauf so gestaltet zu haben, dass Raum bleibt für diese Dimensionen und dass er - etwa beim Thema Teufel - nicht gleich dagegen hält, sondern Raum lässt. Der Mensch sei grundsätzlich gut, kann der Papst sagen, aber „die Güte des Menschen ist eine verwundete Güte“.

So kann man auch über die Grenzen des Gebets sprechen oder darüber, wem Gott alles vergibt (Hitler? Stalin?) und was man als Mensch überhaupt darüber sagen kann. So kann man auch über Populismus sprechen, ohne gleich in die üblichen Selbstverständlichkeiten zu fallen. Populismus brauche immer einen Messias und die Rechtfertigung „Wir bewahren die Identität des Volkes!"

Idealisierung hat was von Aggression

Es werde immer so viel über ihn erzählt, sagt der Papst; einige Male entschuldigt er sich beim Gesprächspartner dafür, dass er Journalisten vorwerfen müsse, nicht genau zu arbeiten. Übrigens empfinde er es auch als Aggression, wenn man zu unkritisch über ihn berichte: „ Wenn ich idealisiert werde, fühle ich mich angegriffen.“ Letztlich sei er aber „ein ganz normaler Mensch, kein bisschen ungewöhnlicher als andere.“ Auf den Einwurf, dass allein die Tatsache, dass er als Papst das so sage, ihn schon außergewöhnlich mache, muss Papst Franziskus dann zugeben: „ Na gut, vielleicht ist nicht alles an mir gewöhnlich.“ Das Gespräch mit einem ungewöhnlichen Menschen: Ab diesem Mittwoch online und an diesem Donnerstag in der Wochenzeitung „Die Zeit“.

 

(rv 08.03.2017 ord)








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