2017-02-18 08:42:00

Schweiz: Ökumene lernen durch ökumenisches Leben


Miteinander studieren und täglich miteinander leben: So wird das gehandhabt am ökumenischen Institut in Bossey in der Schweiz. Rund 40 Studierende aus aller Welt sind hier eingeschrieben und profitieren von einer sowohl kultur- als auch konfessionsübergreifenden Form des Lernens. Der evangelische Theologe Benjamin Simon wirkt seit etwa einem halben Jahr als Professor für ökumenische Missionswissenschaften in Bossey. Im Interview mit Radio Vatikan stellt er das Institut vor und schildert seine Eindrücke darüber, wie sich das enge Miteinander auf das Verhalten und Denken der Studierenden auswirkt.

Als einer von drei Dozenten, die selber auf dem Campusgelände wohnen, erlebe er „rund um die Uhr ein Miteinander mit den Studierenden“. Das gemeinsame Lernen, der interkulturelle sowie interkonfessionelle Austausch seien mit dem Alltag verbunden und keinen zeitlichen Grenzen unterworfen: „Das Besondere an Bossey ist, dass die Studierenden aus aller Welt, aus allen möglichen Kulturen auch zusammen wohnen. Man ist also rund um die Uhr zusammen: man nimmt zusammen die Mahlzeiten ein, man lernt zusammen, man ist zusammen in der Bibliothek. Die Veranstaltungen hören nicht nach 90 Minuten auf, sondern es geht dann einfach weiter.“ Theologie geschehe nicht nur durch Bücherwälzen und Auswendiglernen, erklärt Professor Simon, sondern gerade im Umgang miteinander passiere „unglaublich viel“. Das Institut verfügt über ein Studienprogramm, das jährlich 40 Studierenden aus den unterschiedlichsten Kirchen die Möglichkeit bietet, „in Ökumene einen anerkannten universitären Abschluss zu absolvieren“. Möglich ist sowohl ein Zertifikat nach einem Semester als auch ein ganzjähriger Master.

Alle Studierenden haben bereits ein universitäres Diplom, bevor sie nach Bossey kommen. In der Regel werden sie von ihren Kirchen entsandt, um sich in ökumenischer Theologie zu qualifizieren, erklärt Simon. Immer wieder gebe es aber auch Selbstbewerber aus anderen akademischen Disziplinen, die sich in Bossey spezialisieren wollen. Aus Sicht des Professors kommt es auf die bunte Mischung an: „Wir haben Studierende etwa aus Myanmar, aus Südkorea und aus den USA -  und selbst dann, wenn sie zur gleichen Konfession gehören, Presbyterianer aus den USA oder Presbyterianer aus Südkorea, haben sie bedingt durch ihre Kulturen unterschiedliche Ausprägungen. Sie ticken anders. Das macht das Ganze durchaus interessant, spannend und herausfordernd.“ Benjamin Simon ist Teil einer Vorbereitungsgruppe, die in jedem Jahr die vielen Bewerbungen ausfiltert, um nicht nur zwischen Frauen und Männern, sondern auch zwischen den unterschiedlichen Kulturkreisen und Konfessionen ein Gleichgewicht sicherzustellen.

Wie schnell sich Veränderungen im Denken und Handeln der Studierenden einstellen, ist enorm, erzählt Simon. Schon nach einem halben Jahr des gemeinsamen Lebens und Lernens seien „die Weichen anders gestellt“ und das Verhalten anders, Simon spricht von Offenheit und dem Abbau von Vorurteilen. Dass das Konzept von Bossey schnell Früchte trägt, sei beispielsweise an Studierenden aus Südost-Asien zu bemerken, die oft aus Ländern kämen, in denen es teilweise „schreckliche Vorurteile auch der katholischen Kirche gegenüber von verschiedenen evangelischen Freikirchen oder evangelischen reformatorischen Kirchen“ gebe. Durch das Studieren mit Katholiken und katholischen Dozenten stelle sich jedoch schnell „eine 180-Grad-Wendung“ ein – begünstigt auch durch die Tatsache, dass das Institut mit allen Studierenden einmal im Jahr vom Vatikan nach Rom eingeladen sei, um die katholische Kirche besser kennenzulernen. „Da erlebe ich bei den Studierenden, die so negative Erfahrungen in ihrem Heimatland gesammelt haben, eine starke Veränderung und eine Öffnung hin auch zur katholischen Kirche. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Studierenden, diese Pfarrer und Pfarrerinnen, wenn sie wieder zurückgehen, dann ganz entscheidende Rädchen in der ganzen Struktur ihrer Kirche sein werden, um eine Ökumene zu entwickeln, die viel stärker aufeinander zugehen wird“, sagt der Professor für ökumenische Missionswissenschaften.

Von der ökumenischen Zusammenarbeit der letzten Jahre sei er „ganz wunderbar überrascht“. Was alles „nach kurzer Zeit“ umsetzbar sein könnte, hätte sich vor zehn Jahren noch niemand ausmalen können, staunt der Professor. Papst Franziskus sei dabei jemand, der entscheidende Schritte gehe und wichtige Zeichen setze. Benjamin Simon zeigt große Wertschätzung dem Jahr der Barmherzigkeit gegenüber, durch das vieles bewirkt und in Gang gesetzt worden sei, was „auch jetzt weiter gelebt wird“. Der Papst habe „ganz klare Akzente und Zeichen gesetzt, wie diese Liebe Gottes grenzenlos gelebt werden soll und gelebt werden darf, nicht auf seine Konfession begrenzt, nicht auf seinen Glauben begrenzt, nicht auf seine Religion begrenzt, sondern auf die Schöpfung insgesamt“, so der evangelische Theologe. Für ihn sei es entscheidend, dass Christinnen und Christen in der heutigen Zeit noch deutlicher ihre Botschaft in der Welt verkünden, Nächstenliebe praktizieren und im besten Fall einstimmig „ethische Maßstäbe und Werte in die Gesellschaften hineinbringen“.  

Das ökumenische Institut existiert seit 70 Jahren und gehört zum ökumenischen Rat der Kirchen. Es beschäftigt fünf Dozenten und ist eng mit der Universität Genf verbunden. Der Vatikan unterstützt die Arbeit des ökumenischen Instituts durch zwei Stipendien im Jahr sowie durch die Finanzierung eines katholischen Professors vor Ort.

(rv 18.02.2017 cs/jg)








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