2017-02-10 11:57:00

Jesuiten-Zeitschrift „Civiltà Cattolica“ expandiert nach Lateinamerika


Das publizistische Flaggschiff des Jesuitenordens „Civiltà Cattolica“ kommt ab sofort auch in einer lateinamerikanischen Ausgabe heraus. Die Ausgabe Nummer eins der spanischsprachigen „Civiltà Cattolica" erschien am selben Tag wie die Nummer 4.000 der italienischsprachigen: Papst Franziskus nahm beide am Donnerstag im Rahmen eines kleinen Festaktes im Vatikan entgegen, am Abend dann wurde die lateinamerikanische Ausgabe an der Botschaft Spaniens beim Heiligen Stuhl dem größeren Publikum vorgestellt. Für sie zeichnet neben dem Chefredakteur Antonio Spadaro der argentinische Jesuit Diego Fares zuständig. Fares, der Papst Franziskus seit 40 Jahren kennt, wechselte vor zwei Jahren nach Rom. Als Verleger der lateinamerikanischen Ausgabe tritt das Haus Herder in Erscheinung. Einzelheiten von Gudrun Sailer.

„Civiltà Cattolica“ ist eine der ältesten Zeitschriften der Welt: Papst Pius IX. rief sie 1850 ins Leben. Alle Beiträge stammen grundsätzlich von Jesuiten, die verstreut über die ganze Welt leben, während die Redakteure, Skriptoren genannt, in einer eigenen Gemeinschaft in Rom in der Nähe der Spanischen Treppe wohnen, „und bei aller Verschiedenheit, wir leben immer noch“, scherzte Chefredakteur Spadaro bei der Präsentation. Papst Franziskus habe diese Linie – ausschließlich Jesuiten als Autoren – am Donnerstag ausdrücklich bestätigt, diese gemeinsame Zugehörigkeit zur Gesellschaft Jesu garantiere einen gemeinsamen Horizont. Die Jesuiten sind der größte Männerorden der katholischen Kirche, die Ausbildung der Angehörigen ist sehr gründlich und dauert mindestens zehn Jahre.

„Civiltà Cattolica“ versteht sich als „Brückenzeitschrift und nicht als „Tresorzeitschrift“, sagte Spadaro. So geht das anspruchsvolle Blatt inhaltlich weit über das Themenfeld Theologie hinaus, „wir bewegen uns frei in den verschiedenen Feldern des Wissens, es geht um Kunst genauso wie um Wirtschaft oder Politik. Die Zeitschrift präsentiert eine Sicht auf die Welt, die christlich ist, aber zugleich auf einer Wellenlänge mit der aktuellen Situation der Kirche“, erklärt Spadaro. „Papst Franziskus würde das polyedrisch nennen“ fügt sein Mitbruder Diego Fares hinzu. Er ortet eine „spirituelle Übereinstimmung“ zwischen dem Papst und der Jesuitenzeitschrift.

„Papst Franziskus interessiert sich dafür, an die Grenzen zu gehen, zu allen zu sprechen, der Dialog mit anderen Wirklichkeiten – das war immer angelegt in der Kirche, aber vielleicht sieht man es heute mit Franziskus besser. Und dieses Zugehen auf das Andere ist ganz ähnlich in der Zeitschrift.“

Die Texte und die Armen

Pater Fares, der Philosoph, dessen Bücher Papst Franziskus persönlich zur Lektüre empfahl, hat bereits in Argentinien vieles für Arme und Benachteiligte getan. Zusammen mit einer großen Gruppe Laien wirkte er in einem Zentrum für Obdachlose, darüber hinaus begleitete er Sterbende im Hospiz Casa de la Bondad. In Rom kümmert sich Pater Fares um Flüchtlinge, „keine großen Dinge, Kaffeekochen und auf Ämter begleiten“, erzählt er uns mit einem Lächeln. Und, ja, so etwas hilft gerade beim Schreiben für eine Kulturzeitschrift: „Texte werden anschaulicher und konkreter. Es wäre ziemlich anstrengend, zu schreiben ohne Kontakt mit den Armen!“

Sinn der lateinamerikanischen Ausgabe der „Civiltà Cattolica“ ist es nicht, italienische Inhalte in andere Sprachen zu übersetzen, betont Pater Spadaro. „Im Gegenteil, unsere Zeitschrift versammelt ja schon immer Beiträge von Jesuiten-Autoren aus aller Welt in den wichtigsten Sprachen (auch auf Deutsch). Nun geht es darum, diesen kulturellen Reichtum, der die italienische Ausgabe auszeichnet, auch in die anderen Sprachen gewissermaßen zurückzutragen.“

Eine weitere Besonderheit der „Civiltà Cattolica“ ist, dass jede dort veröffentlichte Zeile im vatikanischen Staatssekretariat gelesen wird, ehe sie in Druck geht. Die Zeitschrift sei nicht das offizielle Sprachrohr des Heiligen Stuhles, präzisierte Spadaro, „doch sie erscheint in Abstimmung mit den Päpsten“. Pius IX. bis einschließlich Johannes XXIII. hätten die Artikel persönlich geprüft. Auch Franziskus lese – als Jesuit - wieder viele der Texte vor der Veröffentlichung.

„Papst Franziskus kennt „Civiltà Cattolica“ sehr gut, sogar besser als ich, als Direktor…! Für uns ist das ein Stimulus, ihn nicht nur als religiöses Oberhaupt zu beobachten, sondern auch als moralische Größe der Welt. Wir erleben momentan ja eine schwierige Zeit, in der das Schlüsselwort „Mauer“ zu sein scheint. Das Schlüsselwort von Franziskus ist „Brücke“. Und da wollen wir ihm folgen.“

Die Jesuitenzeitschrift und ihr Dienst am Heiligen Stuhl

Heißt das auch, die prominente Jesuitenzeitschrift kann Dinge in größerer Offenheit schreiben, als der Papst sie klugerweise sagen könnte? Ganz so direkt würde Pater Spadaro das nicht ausdrücken.

„Der Papst hat die Zeitschrift als einmalig bezeichnet: sie leistet einen Dienst für den Heiligen Stuhl, hat aber keinen offiziellen Charakter. Sie ist aber eine gewichtige Stimme, zertifiziert, gewissermaßen, veröffentlicht Inhalte, die allgemein mit der Meinung des Heiligen Stuhles übereinstimmen. Die Inhalte sind approbiert, sie können gewissermaßen auf dieses Gütesiegel verweisen. Und dieser Akt des Gegenlesens bringt einen kulturellen Austausch hervor. Eine wirkliche Debatte über die Inhalte. Das ist nichts Technisches oder Mechanisches, es wird nicht verlangt, diesen oder jenen Satz zu ändern. Es ist viel tiefer, es braucht Zeit, jedes Mal eine lange Besprechung, die ich persönlich hochinteressant und bereichernd finde.“

Die neue lateinamerikanische Ausgabe der „Civiltà Cattolica“ wird monatlich erscheinen und dabei jeweils Artikel aus der italienischen Zeitschrift auswählen, die alle zwei Wochen herauskommt. Die spanischsprachige Fassung hingegen wird pro Ausgabe elf eigene Buchbesprechungen bieten, die wiederum getreulich im Staatssekretariat gegengelesen werden.

Die gedruckte Startauflage der lateinamerikanischen Fassung der „Civiltà Cattolica“ liegt nach Angaben des Verlegers Raimund Herder bei 1.000 Exemplaren, allerdings erhofft er sich mehr Interesse an neuen Verbreitungsformen. „Uns schwebt vor, dass wir innerhalb eines Jahres etliche Tausend Abonnements insbesondere der elektronischen Ausgabe haben werden.“ Einen Bedarf an einer solchen Zeitschrift sieht Raimund Herder klar gegeben: „Im spanischen Sprachraum gibt es viele Zeitschriften, auch sehr gute. Aber eine Zeitschrift dieses Niveaus haben wir zumindest in unseren Recherchen nicht gefunden.“

 (rv 10.02.2017 gs)








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