2017-01-27 10:47:00

EU: „Tajani soll für Christen anderer Fraktionen offen sein“


Der neue EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani soll wie sein Vorgänger Martin Schulz Offenheit für Christen in anderen Fraktionen zeigen und möglichst konsensorientiert arbeiten. Das wünscht sich die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) von dem Italiener, der vor zehn Tagen zum Präsidenten des Europaparlaments gewählt wurde. Zum Stand Europas in der Krise plant die COMECE zudem im Oktober in Rom einen Kongress, bei dem Politiker und Bischöfe miteinander unter Verzicht auf vorgefertigte Meinungen Grundsatzfragen diskutieren. Das sagte im Gespräch mit Radio Vatikan der stellvertretende Generalsekretär der COMECE, Michael Kuhn.

Mit Antonio Tajani, dem bisherigen Vizepräsidenten des Parlaments, hat die Bischofskommission bereits in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet, erklärte Kuhn. 

Kuhn: „Präsident Tajani hat verschiedene Seminarien und andere Veranstaltungen im europäischen Parlament organisiert, bei denen die Kirchen eingeladen waren. Zum Beispiel zur Frage der Verfolgung von Gläubigen, ganz besonders Christen. Dann die Frage zu Menschenrechten und Religion. Für uns war er die Person, die versucht hat, die Kirchen in das Gespräch im europäischen Parlament mit einzubinden.“

RV: Martin Schulz ist unterdessen als Kanzlerkandidat der SPD nach Berlin gewechselt. Als EU-Parlamentspräsident wurde ihm immer das Talent bescheinigt, auch informelle Koalitionen zu schmieden, also Kräfte aus verschiedenen Lagern zusammenzubringen. Wie schätzen Sie Tajani in dieser Hinsicht ein?

Kuhn: „Ich weiß nicht, ob er die große Bandbreite von Martin Schulz hat. Bei ihm [Schulz, Anm.] kam ja zusammen, dass er Katholik ist, wenn auch nicht besonders aktiv. So war es zum Beispiel auffällig, dass er beim Besuch von Papst Franziskus im Europäischen Parlament 2014 etwa seinen eigenen Bischof Mussinghoff aus Aachen mitgenommen hat. Das heißt also, dass er sich auch als Katholik immer wieder gezeigt hat. Das ist bei Tajani natürlich auch der Fall; er ist katholisch. Aber ich weiß nicht, ob er diese Offenheit auch im Hinblick auf Christen in anderen Fraktionen hat. Das kann ich noch nicht einschätzen, aber das wäre natürlich interessant zu wissen, weil es für uns als COMECE wichtig ist, eben nicht nur mit einer ganz bestimmten Partei im europäischen Parlament zusammenzuarbeiten, sondern mit Abgeordneten von unterschiedlichen Fraktionen, besonders natürlich auch mit katholischen und christlichen Abgeordneten von anderen Fraktionen. Da weiß ich nicht, inwieweit das Tajani auch wirklich voll unterstützen wird.“

RV: Europa ist in der Krise, was braucht das EU-Parlament derzeit am nötigsten? Was muss Tajani aus Sicht der europäischen Bischöfe dringend anpacken?

Kuhn: „Ganz dringende Punkte gibt es eigentlich nicht. Aber uns wäre wichtig, dass es eine gewisse Kontinuität gibt. Sowohl Präsident Schulz, als auch Tajani als Vize-Präsident haben einige Dinge etabliert. Zum Beispiel den relativ unkomplizierten Zugang zum Parlamentspräsidenten, etwa auch für unseren Präsidenten, Kardinal Marx. Auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, Themen, die uns wichtig sind – eins habe ich eben schon genannt, nämlich die Frage Syrien, Irak, Verfolgung von Christen im Nahen Osten und ähnliches – auf der Tagesordnung zu halten, aber eben nicht nur in den einzelnen Resolutionen, sondern auch in etwas tiefer gehenden Veranstaltungen, wo man die Möglichkeiten hat, noch einmal die Hintergründe auf der einen Seite zu beleuchten und auf der anderen Seite zu überlegen, welche Strategien man denn politisch entwickeln könnte. Da ist in den letzten Jahren einiges weitergegangen im Vergleich zu vorherigen und vor-vorherigen Perioden im Parlament. Und hier eine Kontinuität zu wahren, das wäre für uns von großer Bedeutung.“

RV: Im März feiern die Römischen Verträge 60. Geburtstag, die ein Baustein der Gründung der EU waren. Aus diesem Anlass plant die COMECE derzeit für Oktober einen Kongress über Europa, der in Rom stattfinden soll. Wie steht es damit?

Kuhn: „Wir sind zumindest am Nachdenken darüber, dass wir im Oktober 2017 über den derzeitigen Zustand von Europa nachdenken und diskutieren wollen. Die Idee ist eben, unsere Bischöfe und Politiker zusammenzubringen. Es geht darum, bei dieser Diskussion nicht schon mit fertigen Lösungen zu kommen, sondern in verschiedenen Punkten einmal grundsätzliche Fragen zu stellen: Was ist der Grund für die Kluft zwischen Ost und West, die sich derzeit durch Europa zieht? Was ist der Grund für den derzeitigen Zustand unseres politischen Systems, der Demokratie? Und, was sind die Schwierigkeiten, die wir in Europa zum Beispiel auch auf der wirtschaftlichen Ebene haben? Und ausgehend von diesen Fragen arbeiten wir dann gemeinsam an möglichen Modellen oder möglichen Lösungen.“

(rv 27.01.2017 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.