2017-01-20 13:17:00

Den Haag: Ein Ex-Kindersoldat vor Gericht


Ein ehemaliger Kindersoldat vor Gericht: Der Ugander Dominic Ongwen muss sich seit 6. Dezember in Den Haag vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten. Im Alter von 14 Jahren von der gefürchteten Lord’s Resistance Army entführt, stieg Ongwen zu einem ihrer Kommandanten auf.

Isabelle Guitard ist Programmdirektorin bei „Child Soldiers International“. Gegenüber Radio Vatikan erklärt sie, dass gerade der Fall Ongwen besondere Herausforderungen für die Richter birgt. Denn während er selbst als Kindersoldat missbraucht wurde, habe er die ihm zur Last gelegten Taten im Erwachsenenalter begangen. Dennoch müsse man sich der Frage stellen, wie man vor Gericht mit ehemaligen Kindersoldaten umzugehen habe: „Dominic Ongwen sollte nicht allein aufgrund der Tatsache, dass er selbst ein Kindersoldat war, aus jeder Verantwortung für seine Taten entlassen werden. Wir wissen, dass seine Verteidigung versuchen wird, ihn damit zu entlasten und dass er selbst auf nicht schuldig plädiert. In der Tat gibt das sogenannte Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshof Begründungen für Straffreiheit,“ meint sie. Dies schließe auch die Berufung auf seelische Krankheit mit ein, was hieße, dass er die Gesetzeslosigkeit seiner Handlungen nicht habe überblicken können.

„Dann gibt es natürlich noch das Argument, er habe unter Zwang gehandelt, das heißt, dass er möglicherweise selbst in Lebensgefahr oder einer sonstigen ernsten Bedrohung ausgesetzt und somit irgendwie gezwungen war, seine Taten als eine Art der Selbstverteidigung zu begehen.“

Die Verteidigung Ongwens hat angekündigt, sie werde einige der genannten Argumente ins Feld führen – insbesondere die schwere Nötigung, der ihr Mandant ausgesetzt gewesen sein soll. „Bisher weiß aber niemand, wie die Verteidigung wirklich aussehen wird. Wir glauben jedenfalls, dass sie sehr schwierig zu führen sein wird.“ Die Berufung auf Nötigung beispielsweise erfordere den Nachweis, dass das begangene Verbrechen weniger schwer war als das Verbrechen, das an dem Täter begangen worden wäre, hätte er sich geweigert, die Tat auszuführen. Wie gesagt, das ist wirklich sehr schwer zu beweisen“, gibt Guitard zu bedenken.

Vom Tribunal wünscht sich die Menschenrechtlerin ein Urteil, das einerseits die strafmildernden Umstände berücksichtigt, andererseits auch den zahlreichen Opfern Ongwens Gerechtigkeit und Entschädigungen verschafft. Doch sie betont auch, Ongwen habe die LRA niemals verlassen, noch jemals eine Form von Rehabilitierung durchlaufen: „Wir sind der Meinung, jedem ehemaligen Kindersoldat soll das ganze Paket an Maßnahmen zur Rehabilitierung zugutekommen. Das bedeutet Wiedereingliederung in die Gemeinschaft mit der Vergebung und Akzeptanz der Gesellschaft, um wieder ein normales Leben führen zu können. Wenn sie psychologische Hilfe erhalten und ihre Schulbildung wieder aufnehmen können und eine würdige Rolle in ihrer Gemeinschaft übernehmen können, dann können auch diese Menschen wieder ,normal´ werden.“

Der Prozess in Den Haag sei immens wichtig, weit über das Einzelschicksal Ongwens hinaus, betont Guitard. „denn ohne diesen Prozess und ohne den Strafgerichtshof wären diese Verbrechen vielleicht niemals untersucht worden, weil die ugandische Regierung unfähig oder nicht bereit war, Herrn Ongwen oder andere LRA-Kommandanten vor Gericht zu stellen. Dank dieser Prozesse werden wir die Geschichten der Opfer von Hernn Ongwen hören. Wir werden mehr erfahren über das Vorgehen der LRA und die Folgen ihrer Verbrechen in der ugandischen Gesellschaft. Und die Opfer können eine Entschädigung erhalten.“

Hintergrund

Mehr als 70 Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden Ongwen für die Jahre zwischen 2002 und 2005 vorgeworfen. Seine Anwälte plädieren auf nicht schuldig mit der Begründung, ihr Klient sei selbst als Kindersoldat missbraucht worden. Nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen hat die Lord´s Resistance Army seit ihrer Gründung 1987 nicht weniger als 60.000 Kinder entführt und zu Soldaten gemacht. Mehr als 100.000 Menschen starben durch ihre Verbrechen. 








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