2017-01-11 11:51:00

Kampf um Mossul: Werden die Christen zurückkehren können?


Im Sturm war sie 2014 von IS-Terroristen erobert worden, jetzt gestaltet sich ihre Rückeroberung durch die Armee äußerst mühsam: Mossul, die Millionenstadt im Norden des Irak. Seit dem 17. Oktober läuft die Offensive der irakischen Armee auf Mossul; mehrere Stadtviertel sind befreit worden, mehrere Tigris-Brücken. Doch obwohl Bagdad mit Zahlen geizt, ist klar, dass seine Kämpfer einen hohen Blutzoll entrichten und nur langsam vorankommen.

Auch viele ehemals christliche Dörfer in der Niniveh-Ebene sind wieder unter der Kontrolle der irakischen Zentralregierung. Eine erste Bilanz der Schäden, die der IS hinterlassen hat, spricht von mindestens hundert verwüsteten Kultstätten, die meisten davon christliche Kirchen.

„In den Dörfern in der Niniveh-Ebene, die die Armee jetzt befreit, lebten einmal mehr als 120.000 Christen“, sagt uns der Priester Karam Najeeb aus dem Bistum Algosh. „Die Christen mussten vor dem anrückenden IS fliehen. Natürlich weckt das, was die Armee jetzt tut, gewisse Hoffnungen... Aber wenn wir dann sehen, was uns die irakische Armee und der IS – alle beide – übriggelassen haben, dann sehen wir nur Zerstörung! Tausende von niedergebrannten Häusern; verbrannte Kirchen, zerstörte, ausgeplünderte Kirchen...“

Es werde „sicher viel Zeit brauchen, um all das wieder aufzubauen“, orakelt Najeeb. „Die Familien können im Moment unmöglich zurückkehren! Mein Dorf zum Beispiel liegt, wie viele andere der Niniveh-Ebene, noch ganz nah an der Front, nur drei Kilometer trennen es vom Islamischen Staat. In so ein Dorf kann man doch unmöglich zurückkehren, es gibt ja ständig noch Kämpfe! Und wenn ich dann an die vielen Tunnel denke, die der IS in diesen zwei Jahren angelegt hat...“

Najeeb braucht den Satz nicht zu Ende zu sprechen – es wird auch so klar, dass er im Moment nichts von einer Massenrückkehr christlicher Flüchtlinge aus Irakisch-Kurdistan in die Niniveh-Ebene hält. Überraschend ist allerdings, dass der Priester das ein bisschen anders sieht, wenn die Rede auf Mossul kommt. Doch, sagt er, „natürlich“ – in ein gänzlich befreites Mossul würden die Christen sehr gern zurückkehren.

„Dort hatten die Christen Häuser, viele von ihnen waren Uni-Dozenten und waren unabhängig von der Regierung – die haben den starken Wunsch und ein Interesse daran, zurückzukehren. Das Problem ist allerdings, wie sich ihr Zusammenleben mit den Muslimen in der Zukunft gestalten soll; vergessen wir nicht, dass uns viele unserer Nachbarn beraubt und bedroht haben, und dass sie uns gezwungen haben, unser Land, unser Haus zu verlassen. Sie haben sich alle unsere Häuser unter den Nagel gerissen! Und das ist sicher schwierig.“

Trotzdem, so fährt der Priester fort: Die Rückkehr der Christen nach Mossul und auch in die Niniveh-Ebene sei wichtig, immerhin seien Christen „seit über zweitausend Jahren“ dort präsent gewesen. „Auch unsere Väter und unsere Großväter haben Katastrophen erlebt, wenn auch nicht von derselben Tragweite wie heute... Aber diese Verfolgungen hat es immer gegeben, auch vor genau hundert Jahren hatten sie die Christen im Visier. Doch wir lieben unser Land und werden daran festhalten, eine Realität des Friedens mit den anderen herzustellen. Wie Jesus uns gelehrt hat: Wir lieben auch unsere Verfolger.“

Die Christen des Irak beten auch heute noch, daran erinnert der Priester, auf Aramäisch, also im Dialekt Jesu; die Chaldäer führten sich seit dem ersten Jahrhundert auf Abraham zurück, von dem das biblische Buch Genesis notiert, er sei aus „Ur in Chaldäa“ aufgebrochen ins Gelobte Land. Mit der christlichen Präsenz an Euphrat und Tigris stehe also, so gibt Najeeb zu verstehen, ein gerüttelt Maß Kirchen- und Religionsgeschichte auf dem Spiel.

„Bisher ist noch nicht klar, was die Regierung in Bagdad für die Christen tun wird, die zurückkehren wollen. Noch sind ja weder Mossul noch die Niniveh-Ebene wirklich völlig befreit. Wir hoffen allerdings, dass die Regierung dann ihre Pflicht tun und alles Zerstörte wiederherstellen wird. Die Kirche hat, auch dank vieler Wohltäter und Stiftungen, eine Menge getan, um die Christen im Land zu halten, sie hat u.a. viele Schulen im Nordirak eröffnet. Die Regierung hat nichts dergleichen getan, und auch nicht die Länder des Westens. Natürlich brauchen wir Nähe und Hilfe, um weiter hier im Land leben und existieren zu können.“

(rv 11.01.2016 sk)








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