2017-01-10 13:49:00

Venezuela: Steigt der Vatikan aus dem Dialog aus?


Die Gespräche zwischen Regierung und Opposition in Venezuela stehen auf der Kippe. Eigentlich sollten sich beide Seiten am Freitag wieder zusammensetzen, in Anwesenheit von Vermittlern aus dem Vatikan. Doch der Vorsitzende der venezolanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Diego Padrón Sánchez, warnte am Wochenende eindringlich vor einem Scheitern des von Papst Franziskus initiierten Dialogs: „Der Vatikan kann uns nur so weit begleiten, wie die Venezolaner selbst das wünschen! Der Wunsch des Vatikans und speziell des Papstes bestand immer darin, den Venezolanern dabei zu helfen, Wege zu Lösungen für unsere Lage zu finden.“

Doch nach der Analyse des Erzbischofs mangelt es am guten Willen der Verhandlungspartner. Das sagte er zum Auftakt einer Vollversammlung der venezolanischen Bischofskonferenz. „Es hatte so gewirkt, als ob alle, auch die Regierung, einig darin wären, dass Lösungen für die schwerwiegenden Probleme des Landes durch einen Dialog zu suchen wären. Aber nach dem Scheitern des letzten Versuchs hat man den Eindruck, dass man sich damals getäuscht hat und dass es gar keinen Willen zu wirklichen Lösungen gegeben hat. Der Mechanismus des Dialogs hat, ganz eindeutig, nicht funktioniert! Statt Lösungen gab es nur Reden und Versprechungen; der Dialog ist vor allem daran zerbrochen, dass es keinen ehrlichen Willen zum Dialog bei den Partnern gab.“

Erzbischof Padrón übte ausdrücklich Kritik sowohl am Regime von Präsident Nicolas Maduro als auch am Verband der Oppositionsparteien. „Beide Seiten, Regierung wie Opposition, haben – wenn auch auf unterschiedliche Weise – den Dialog nicht um des Landes willen geführt! Sie nahmen ihn stattdessen als politische Strategie, nicht um die Konflikte zu lösen, sondern um die eigenen Interessen zu bedienen. Die sozialistische Partei und die Regierung haben den Dialog genutzt, um Zeit zu gewinnen.“

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz appellierte an Regierung und Opposition, den Dialog nicht weiter zu instrumentalisieren. Sonst bestehe die Gefahr, dass sich der Vatikan aus dem Prozess zurückziehe.

Padrón zeichnete ein ausgesprochen düsteres Bild der Lage im Land: „Mehr als 120 politische Häftlinge, die unrechterweise festgehalten werden. Verbreitete Korruption. Systematische Angriffe auf private Unternehmen und unabhängige Medien. Mehr als 29.000 Gewaltopfer. Hunger, Mangel an Nahrungsmitteln, Mangel an Medikamenten. Die gewaltsame Ideologisierung in den Schulen. Die Versuche, das Parlament auszuhebeln. Das Verhindern des Zustandekommens einer Volksabstimmung (gegen Präsident Maduro). Und neuerdings der improvisierte und chaotische Rückzug der Banknote mit dem höchsten Wert, was zu großer Unsicherheit und Sorge in der Bevölkerung geführt hat.“

Nuntius: „Zu hohe Erwartungen an den Dialog“

Auch der Päpstliche Nuntius in Venezuela, Erzbischof Aldo Giordano, stellte in einem Grußwort zum Auftakt der Bischofstagung ein paar ernste Anfragen an den Dialog. „Der Heilige Stuhl nimmt am Dialog teil, weil er sowohl von der Regierung als auch von der Opposition dazu eingeladen wurde. Er hat zunächst gezögert, weil er nicht die Bedingungen zu einem Dialog sah, aber dann doch zugestimmt, weil die Opposition zusicherte, sie werde sich an den Verhandlungstisch mit der Regierung setzen, wenn auch der Vatikan dabei wäre. Der Papst hat damals gesagt: Ein Türchen hat sich geöffnet – gehen wir also!“

Dieses Türchen könnte allerdings auch wieder zufallen, gab der Nuntius zu verstehen. „Die Schwierigkeiten, auf die der Dialog stößt, liegen offen zutage. Die entscheidende Frage lautet: Gibt es einen wirklichen Willen zum Dialog? Eine Schwierigkeit besteht in den internen Meinungsverschiedenheiten bei der Opposition; einige dort setzen eher auf einen schnellen Regierungswechsel und halten den Dialog für ein Hindernis dabei. Wir wissen, dass es auch auf Regierungsseite sehr verschiedene Haltungen gibt, was den Willen zum Dialog betrifft. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen dem, was intern am Verhandlungstisch, und dem, was hinterher öffentlich gesagt wird.“

Von einem Rückzug des Vatikans vom Verhandlungstisch sprach Nuntius Giordano nicht ausdrücklich. Aber er bemerkte: „Man bürdet dem Dialog übertriebene Erwartungen auf: Seit Jahren ist nichts passiert, und jetzt soll der Dialog binnen weniger Wochen das Unmögliche leisten und die Probleme lösen?“

Venezuela wird seit mehr als zwei Jahren von einer Versorgungskrise und schweren politischen Spannungen erschüttert. Die Regierung macht eine aus den USA gesteuerte Kampagne für die Krise verantwortlich; die Opposition wirft der Regierung vor, wirtschaftspolitisch versagt zu haben.

(rv 10.01.2017 sk)








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