2017-01-10 10:53:00

Türkei: „Bekommen Christen Mitschuld am Putsch-Versuch?“


In der Türkei berät das Parlament über eine Verfassungsreform, die den Staatspräsidenten stärken soll. Recep Tayyip Erdoğan wäre dann nicht mehr nur Präsident, sondern auch Regierungschef. Das Parlament würde dadurch geschwächt, aber Befürworter der Reform erwarten mehr Stabilität und Sicherheit im Land. Für die Christen im Land könnte diese Entwicklung sich als nicht besonders günstig erweisen, sagt Otmar Oehring im Gespräch mit dem Kölner Domradio.

Oehring ist Koordinator für den Internationalen Religionsdialog der Konrad-Adenauer-Stiftung und lebte lange Zeit selbst in der Türkei. Er ist skeptisch, was eine Verbesserung der Stabilität in der Türkei durch die Maßnahmen der Regierung betrifft. Gleichzeitig stelle sich die Frage, was für Auswirkungen dies auf die religiösen Minderheiten, vor allem Christen, Juden und Aleviten, haben könne: „Interessant wird sein, inwieweit man ihnen vielleicht auch eine Mitschuld am Putsch und an den Aktivitäten der Gülen-Bewegung zuschreibt, die jetzt in der Türkei als eine terroristische Organisation dargestellt wird, obwohl sie lange Jahre praktisch eine Wegbegleiterin der AKP-Regierung war.“ Die Gülen-Bewegung war Vorreiterin im interreligiösen Dialog in der Türkei: „Man muss ganz klar sagen, dass es den interreligiösen Dialog, soweit er den sunnitischen Islam, was im Grunde der prägende Staatsislam ist, betrifft, im Grunde nicht mehr gibt,“ betont Oehring.

Kirchenvertreter, die selbst türkische Staatsbürger seien, wie beispielsweise die Oberhäupter der syrisch-orthodoxen und syrisch-katholischen Kirche, könnten sich zur Situation im Land nicht frei äußern, so Oehring. Anders sieht es für die römisch-katholischen Bischöfe aus, die alle Ausländer seien: „Denen kann im schlimmsten Fall passieren, dass sie des Landes verwiesen werden. Trotzdem ist das nicht gewollt. Also sind sie momentan zurückhaltend. Andererseits gibt es aber momentan auch gar nicht die Frage, was die Kirchenführer über die Situation denken. Sie werden ja auch nicht gefragt.“

In der Türkei gibt es ungefähr 15.000 römische Katholiken. Von den 61 Priestern sind 50 ausländische Ordenspriester. Die Diasporakirche besitzt keinen juristischen Status in der Türkei. Die mit Rom unierte syrisch-katholische Kirche hat ungefähr 1.200 Mitglieder. Rund 1.000 Gläubige gehören zur chaldäisch-katholischen Kirche, dem mit Rom in Gemeinschaft stehende Zweig der syrisch-orthodoxen Kirche.

Für den gescheiterten Putschversuch Mitte Juli 2016 in der Türkei machen staatliche Stellen den Imam Fethullah Gülen und seine Gülen-Bewegung verantwortlich.

(domradio 10.01.2017 dh)








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