2017-01-07 09:00:00

Haiti: Schicksalsjahr 2017


Erdbeben, Hurrikan, Armut, Hunger: Haiti wird seit Jahren schlimm getroffen. Das Beben vor sieben Jahren hatte mehr als 200.000 Todesopfer gefordert, 1,5 Millionen Menschen wurden obdachlos, und vor drei Monaten fegte der Hurrikan Matthew übers Land. Haiti, schon davor einer der ärmsten Staaten der Welt, tut sich schwer damit, wieder auf die Beine zu kommen. Margit Wichelmann ist seit 2003 Länderreferentin für Haiti beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat der deutschen Bischöfe. Sie war kurz nach dem Wirbelsturm das letzte Mal vor Ort.

Wichelmann: „Die Lage in Haiti ist verheerend, und es würde mir jetzt schwer fallen zu sagen, was schlimmer war. Nach dem Erdbeben war sehr viel Hilfe unmittelbar vor Ort, aber jetzt ist die Region, die betroffen war, so groß und unzugänglich, dass es schwer fällt, die Hilfe so direkt wie nach dem Erdbeben zukommen zu lassen.“

RV: Hat denn der designierte haitianische Präsident Jovenel Moïse, dessen Wahlsieg an diesem Mittwoch bestätigt wurde, die richtigen Rezepte, um die Haitianer aus der Not zu führen?

Wichelmann: „Ich glaube, ein Rezept gibt es für so ein Land wie Haiti eher nicht, und das Problem ist, dass der jetzt bestätigte Präsident kein Politiker, sondern ein Geschäftsmann ist, und sich die Frage stellt, ob er sich auf so schwierigem Parkett bewegen kann. Eine weitere Schwierigkeit für ihn wird sein, dass er sich einer starken Opposition gegenüber sieht, die ihn nicht akzeptiert und auch boykottieren möchte. In so einer Situation ist es schwierig, ein Programm auf die Beine zu stellen, welches das Wohl des Landes im Blick hat.“

RV: Was tut Adveniat, um die Situation vor Ort zu verbessern?

Wichelmann: „Wir versuchen, der Kirche in Haiti ein guter Partner zu sein, und auf die Anliegen einzugehen, die von der haitianischen Kirche direkt an uns heran getragen werden. Dabei ist es uns besonders wichtig, dass nicht wir die Rezepte für die Projekte entwickeln, sondern dass wir gemeinsam mit den Haitianern Prioritäten festlegen und auf deren Anregungen eingehen. Wir sind selbstverständlich aktiv beim Wiederaufbau, bei verschiedenen Infrastrukturmaßnahmen, aber auch in der Bildung und insbesondere in einem Bereich, der nach Erlebnissen wie Erdbeben oder Wirbelstürmen besonders wichtig ist, nämlich der Traumaseelsorge.“

RV: Viele Schulen sind ja zerstört worden und fungieren momentan als Notunterkünfte, geregelter Unterricht ist kaum möglich. Wie funktionieren denn beispielsweise Projekte im Bereich der Bildung?

Wichelmann: „Man muss sich die Situation der Schulen oft so vorstellen, dass es nicht viel mehr ist, als eine Kirche, die sowohl als Kirche als auch unter der Woche als Schule genutzt wird. Dort werden oft gleichzeitig sechs Klassen unterrichtet von Lehrern, die selbst nicht viel mehr als den Schulabschluss haben. Wir unterstützen beispielsweise Projekte zur Weiterbildung der Lehrer, damit die Qualität des Unterrichts in den Schulen möglichst gut ist.“

RV: Was wünschen Sie sich für Haiti für die kommenden Jahre?

Wichelmann: „Ich würde mir und Haiti vor allem wünschen, dass es dem Land gelingt, eine stabile Regierung aufzubauen mit einem Präsidenten, der das Wohl des Landes im Blick hat und dem es gelingt, Menschen um sich zu scharen, die das gleiche Ziel verfolgen. Auch, dass das Land in den nächsten Jahren von weiteren Naturkatastrophen verschont bleibt, damit es die Kraft hat, sich der eigenen Zukunft zu widmen.“

(rv 07.01.2017 cs)








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