2017-01-04 13:04:00

Brasilien: „Haftbedingungen sind Ursache für blutige Aufstände“


Die Situation der Gefängnisinsassen insbesondere in Ländern wie Brasilien, wo die Gefangenen auf unmenschliche Weise zusammen gepfercht werden, hat Papst Franziskus bereits mehrfach angesprochen. Die jüngste Revolte mit knapp 60 Toten in der brasilianischen Haftanstalt von Manaus geht laut Medienberichten auf rivalisierende Drogenbanden zurück. Schwester Petra Pfaller ist Missionarin Christi und stellvertretende Vorsitzende der katholischen Nationalen Gefängnispastoral in Brasilien. Sie arbeitet seit 22 Jahren in der Gefängnisseelsorge eng mit dem bischöflichen Hilfswerk Adveniat zusammen. Sie sieht im Interview mit dem Kölner Domradio weniger die Drogen als vielmehr die unmenschlichen Haftbedingungen als Ursache für den blutigen Aufstand.

„Es ist immer eine offizielle Entschuldigung von der Regierung, dass die Drogenkriege die große Gewalt in den Gefängnissen provozierten", so Schwester Petra. „Es ist sicher ein Aspekt, aber die Situation in den brasilianischen Gefängnissen ist ein richtiger Horrorfilm. Die großen Überbelegungen durch die vielen Gefangenen, die ohne Gerichtsurteil oft jahrelang in Untersuchungsgefängnissen sitzen – das sind 40 bis 60 Prozent aller Inhaftierten - da revoltieren die Menschen, die in diesen Höllen Brasiliens eingesperrt sind.“

Ein richtiger Horrorfilm

Knallharte wirtschaftliche Interessen verhinderten oft eine würdige Unterbringung von Gefangenen, auch im Fall des Gefängniskomplexes von Manaus habe der Staat das Zuchthaus privatisiert. Je mehr Gefangene in den engen Zellen eingepfercht würden, desto eher rentiere sich die Investition also für den privaten Betreiber, betont Schwester Petra. Vor zwei Jahren habe sie die Haftanstalt von Manaus selbst besucht und sich ein Bild über die Zustände hinter den Mauern machen können: „Es fehlt an grundsätzlichen persönlichen Hygieneartikel, an juristischem und medizinischem Beistand. Die medizinische Versorgung ist fast gleich Null. Und in einer Zelle mit acht Betten sind 30 bis 40 Menschen eingepfercht. Das ist unter aller Menschenwürde. Und es ist ganz klar, dass solche Zustände Revolten hervorbringen. Jeder kleine Streit kann zu einer großen Rebellion werden.“

Aus kleinem Streit kann eine große Rebellion werden

Für Resozialisierungsmaßnahmen wie berufliche, pädagogische oder psychologische Betreuung gebe es in dieser profitorientierten Realität keinen Platz. Vor allem jugendliche Erwachsene im Alter zwischen 18 und 25 Jahren säßen in den überfüllten Gefängnissen Brasiliens, sie kämen insbesondere aus den Favelas, seien dunkelhäutig, lebten unter der Armutsgrenze und erhielten keinen staatlichen Rechtsbeistand, erläutert die Schwester: eine weitere Verquickung von sozialer und institutioneller Ungerechtigkeit, wie sie Papst Franziskus immer wieder benennt und die eine tickende Zeitbombe darstellt, die jederzeit hochgehen kann.

„Wir von der Gefängnisseelsorge haben in den letzten Monaten bereits gewarnt, dass in ganz Brasilien in allen Gefängnissen so eine Rebellion, so ein Massaker passieren kann", warnt die Seelsorgerin. „Die Richter, die Staatsanwälte, die Pflichtverteidiger und andere wissen Bescheid. Es gibt genügend Fotos und Filme oder anderes Informationsmaterial über die Situation in den Gefängnissen. Aber leider machen die öffentlichen Behörden mit ihrer repressiven Politik weiter – einsperren und die Augen schließen. Und schieben es dann auf die Drogenkartelle.“

(domradio 04.01.2017 cs)








All the contents on this site are copyrighted ©.