2016-12-24 12:05:00

Heiliges Land: „Redet miteinander“


Als Verletzung internationalen Rechts und Hürde bei der Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung bezeichnet eine UN-Resolution den israelischen Siedlungsbau in den besetzten Palästinensergebieten. Möglich wurde die Resolution vom Freitag durch die überraschende Enthaltung der USA bei der Abstimmung im Sicherheitsrat. Die USA hatten in der Vergangenheit Resolutionen zu Israel und den Palästinensern fast durchweg verhindert und damit dem Wunsch Israels entsprochen. Während Israel die Resolution als „schändlich und anti-israelisch“ zurückwies, feierte sie die Palästinenserführung als „historischen Sieg“ und wertete sie als Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für eine Zwei-Staaten-Lösung.

Heiliger Stuhl drängt auf friedliche Verhandlungslösung

Der Heilige Stuhl hatte Palästina Mitte 2015 offiziell als Staat anerkannt und favorisiert im palästinensisch-israelischen Konflikt eine Zwei-Staaten-Lösung. Dabei drängt der Vatikan auf eine friedliche Verhandlungslösung. Angesichts der aktuellen Verhärtung der Fronten im Heiligen Land sind die Friedensgespräche allerdings blockiert, eine Lösung scheint in weite Ferne gerückt. Diesen Eindruck äußert der Verwalter des Lateinischen Patriarchates, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, im Interview mit Radio Vatikan. Wir haben mit ihm vor der UN-Resolution gesprochen.

„Man muss sehr realistisch sein: Es ist nicht so, dass der Frieden morgen beginnt. Den Frieden muss man aufbauen und das wird leider sehr lange dauern. Allem voran muss man anfangen, miteinander zu sprechen. Denn in diesem Moment reden beide Seite nicht miteinander, es gibt keinerlei Kommunikation, und das kann das Verhältnis nur weiter verderben. Miteinander zu reden ist also das Erste, was zu tun ist.“

Verhärtete Fronten

Übereinander reden beide Seite freilich schon. So bezeichnete Palästinenserpräsident Mahmud Abbas Israels Geopolitik in seiner Weihnachtsbotschaft als „längste militärische Besatzung in der modernen Geschichte“. Auch Bethlehem leide unter „der Brutalität jahrzehntelanger Erniedrigung, Kolonisierung und Apartheid“, so Abbas, der konkret auf die israelische Sperranlage sowie 18 israelische Siedlungen verwies, die die Geburtsstadt Jesu umschließen würden. Anlässlich des Weihnachtsfestes rief er zu friedlichem Widerstand gegen die israelische Besatzung auf: „Wir unterstützen alle gewaltfreien Akte einschließlich rechtlicher, politischer und fürsprachlicher Aktionen, um Frieden und Gerechtigkeit nach Palästina zu bringen“, hieß es in der am Freitag verbreiteten Botschaft.

Weiter sprach Abbas darin ein bevorstehendes Treffen mit Papst Franziskus an. Dabei werde es unter anderem um die Frage gehen, wie das letzte palästinensisch-vatikanische Abkommen der Region als Beispiel dienen könne, „die christliche Präsenz und ihre Institutionen zu stärken“, kündigte er an. Die Zusammenarbeit mit den Kirchenführern in Jerusalem werde fortgesetzt.

Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu ließ nach der UN-Resolution derweil mitteilen, man werde sich nicht an die Vorgaben halten. „Der Sicherheitsrat tut nichts, um das Schlachten einer halben Million Menschen in Syrien zu stoppen und verbündet sich gleichzeitig gegen die einzige wahre Demokratie im Nahen Osten“, hieß es in der Mitteilung wörtlich. Netanyahu gab weiter an, man freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Dieser hatte mit Blick auf Israel einen Politikwechsel mit seiner Amtsaufnahme angekündigt: „Was die UN betrifft, werden die Dinge nach dem 20. Januar anders ein“, schrieb er nach der Enthaltung der USA im Sicherheitsrat auf Twitter.

Gespannte Lage in Bethlehem

Kurz vor dem Weihnachtsfest ist die Lage in Bethlehem angespannt. So kam es in der Geburtsstadt Jesu am Freitag zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der israelischen Armee. Wie die palästinensische Nachrichtenagentur „Ma'an“ am Freitagabend berichtete, gingen israelische Sicherheitskräfte mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Teilnehmer eines Weihnachtsprotestmarsches in der Nähe des Checkpoints Rachelsgrab vor, der unter dem Motto stand „Terrorismus und Besatzung sind zwei Seiten derselben Medaille“. Die Demonstranten, viele von ihnen als Weihnachtsmänner verkleidet, forderten von Israel die Öffnung der Checkpoints während der Feiertagsperiode, um christlichen Touristen das Feiern von Weihnachten am Geburtsort Jesu zu erleichtern. Ein Sprecher der israelischen Grenzpolizei sagte gegenüber „Ma'an“, 15 Männer hätten Steine auf die israelischen Soldaten geworfen. Zwei Soldaten wurden demnach leicht verletzt.

Schwere Lebensumstände begünstigen Extremismus

Die Spannungen im Heiligen Land werden laut Erzbischof Pierbattista Pizzaballa durch verschiedene Missstände genährt: Waffenhandel und Machtpolitik, Extremismus und Perspektivlosigkeit der Jugend trügen dazu bei, dass immer wieder Gewalt aufflamme, beschreibt der Verwalter des Lateinischen Patriarchates Jerusalem gegenüber Radio Vatikan die komplexe Gemengelage:

„Es herrscht vor allem Angst, denn Angst bestimmt unsere Entscheidungen und Orientierungen. Es gibt Interessen, natürlich Waffen und Waffenhändler, es gibt einen innerislamischen Krieg zwischen Sunniten und Schiiten, es gibt den religiösen Fundamentalismus islamistischer Prägung, mit dem Islamischen Staat oder ,Daesh‘. Aber es gibt auch weniger bekannte, doch nicht weniger tödliche Formen: eine erschreckende wirtschaftliche Lage mit einer Bevölkerungsmehrheit unter 30 Jahren, die keine Perspektiven hat und ohne Arbeit ist. Es gibt eine soziale, religiöse und politische wirklich schwere Situation, einen verwirrenden und frustrierenden Lebenskontext.“

Nichtsdestotrotz gäbe es im Heiligen Land Christen, Juden und Muslime, die tagtäglich eine Kultur des friedlichen Zusammenlebens praktizierten, vervollständigt Pizzaballa das Bild:

„Der Nahe Osten besteht aus Millionen von friedfertigen Menschen. Es gibt unheimlich viele Personen, Juden, Christen und Moslems, die sich einbringen. Und vor allem das Weihnachtsfest erinnert uns daran: Es sind die kleinen Leute, die ,Kleinen des Evangeliums‘, das heißt die Armen, die einfachen Menschen, die Menschen vor Ort und von der Straße, die zusammenarbeiten, sich treffen, versuchen, ein würdevolles Leben zu leben und sich gegenseitig zu respektieren.“

(rv 24.12.2016 pr)








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