Zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Österreich hat der Eisenstädter Bischof
Ägidius Zsifkovics aufgerufen. Im Kathpress-Interview am Rande des großen Abschlussfestes
zum Martinus-Jubiläumsjahr in Eisenstadt nahm der Bischof zum US-amerikanischen und
österreichischen Präsidentschaftswahlkampf Stellung, warnte vor einer Spaltung der
Gesellschaft und forderte einmal mehr eine gesamteuropäische Lösung der Flüchtlingsfrage.
Weiters zog er eine Bilanz des Martinus-Jubiläumsjahres in der Diözese Eisenstadt.
Zsifkovics ist in der Österreichischen Bischofskonferenz für die Bereiche Flucht,
Migration und Integration zuständig und bekleidet in der EU-Bischofskommission ComECE
die Funktion des Koordinators für Flüchtlingsfragen. Eindringlich warnte der Bischof
vor Alleingängen einzelner europäischer Staaten in der Flüchtlingsfrage. Es bestehe
die Gefahr, dass nationale Egoismen „fröhliche Urständ' feiern“. Die mangelnde europäische
Solidarität, um die Herausforderungen durch die vielen Flüchtlinge gemeinsam zu lösen,
sei eine große Gefahr, warnte der Bischof. Die Kirchen hätten die moralische Verpflichtung,
das Gewissen der Nationen zu sein und ihre Stimme für jene zu erheben, die das selbst
nicht tun können, forderte Zsifkovics.
Angesprochen auf Ungarn unterstrich der Bischof, dass er mit der Ungarischen Bischofskonferenz
in ständigem Kontakt stehe und diesen auch zu staatlichen Stellen suche. „Ich versuche,
die Brücken aufrecht zu erhalten“, so der Bischof wörtlich. Er bemühe sich, immer
wieder darauf hinzuweisen, „dass es wenig Sinn macht, sich abzuschotten und Wege zu
gehen, die nicht das Gemeinsame im Blick haben“. Der ungarische Ministerpräsident
Viktor Orban bemüht sich bekanntlich, bisher noch vergeblich, um eine Verfassungsänderung
gegen die Aufnahme von Asylwerbern.
Mehr Einsatz für Flüchtlinge möglich
Die Kirche in Ungarn sei durchaus auch um Flüchtlinge bemüht, betonte Zsifkovics.
Freilich habe die ungarische Kirche weit weniger Möglichkeiten als beispielsweise
die Kirche in Österreich. Ganz grundsätzlich wolle er festhalten, dass die Kirche
in allen Ländern Europas noch mehr Zusammenarbeit und Einsatz für Flüchtlinge zeigen
könnten.
In der Diözese Eisenstadt seien viele tausende Flüchtlinge erstversorgt worden, knapp
500 habe man langfristig in Quartieren aufnehmen können, so der Bischof. Für diese
bemühe man sich natürlich um eine gute Integration vor Ort. Dabei würden sich viele
Pfarren, aber auch die Katholische Aktion, große Verdienste erwerben.
Sachpolitik statt Emotion
Wenige Wochen vor dem nächsten Versuch zur Bundespräsidentenwahl wollte der Bischof
nicht von einer großen Spaltung in zwei Lager in seiner Diözese sprechen. Bedenklich
sei freilich, dass der Stil des US-amerikanischen Wahlkampfes auf Österreich überzuschwappen
drohe. „An dieser Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft kann niemand Interesse
haben“, sagte der Bischof.
Seitens der Kirche gebe es aus gutem Grund keine parteipolitischen Stellungnahmen,
die Christen sollten frei nach ihren Gewissen entscheiden, betonte Zsifkovics. Er
wolle jedoch grundsätzlich anmerken: „Wer Gott in den Mund nimmt oder auf ein Plakat
schreibt, der muss auch wissen, was dieser Gott bedeutet, und dass dies nicht nur
eine Formel oder Floskel ist. Gott ist immer auf Seiten der Armen, Kleinen und Schwachen,
der Ausgestoßenen und auch der Flüchtlinge und Verfolgten.“ Wer immer das Bundespräsidentenamt
übernimmt, sei gut beraten, sich diesen Menschen auch ganz besonders zuzuwenden. Das
gelte freilich auch für alle anderen politisch Verantwortlichen.
Die Kirchen seien aufgerufen, einen Beitrag zur Besonnenheit und zum Brückenschlag
zu leisten. „Wir müssen alles tun, um ein gutes Miteinander auch bei unterschiedlichen
Ansichten zu fördern.“ Weniger Emotion und mehr Sachpolitik sei das Gebot der Stunde.
In Ökumene weitere Schritte gehen
Sehr dankbar zeigte sich der Bischof, dass das historische Treffen der katholischen
Bischofskonferenz mit den Spitzenvertretern der evangelischen Kirchen in Österreich
im Burgenland stattfand. Zum einen habe das Burgenland den höchsten Prozentsatz an
Evangelischen von allen Bundesländern, zum anderen „leben wir hier ganz intensiv im
Alltag diese ökumenische Einheit in Vielfalt“. Freilich könne man nie zufrieden sein,
solange nicht die volle Kircheneinheit hergestellt ist. Das Reformationsjubiläum sei
jedenfalls eine gute Gelegenheit, „hier weitere Schritte zu setzen“.
Am vergangenen Dienstag fand in Rust ein ökumenischer Gottesdienst statt, gemeinsam
abgehalten von der Bischofskonferenz, der Kirchenleitung der evangelischen Kirchen
A.B. und H.B. und der evangelisch-methodistischen Kirche. Am Mittwoch trafen sich
die katholischen und evangelischen Vertreter in Eisenstadt zu einem gemeinsamen Studientag.
„1.700 Jahre Martin von Tours“
Mit einem Festgottesdienst im Eisenstädter Martinsdom wurde am Freitag das Jubiläumsjahr
„1.700 Jahre Martin von Tours“ feierlich abgeschlossen. Seit dem 11. November des
Vorjahres hatten Diözese und Pfarren dazu viele unterschiedliche Akzente und Initiativen
gesetzt. Neben zahlreiche Wallfahrten beispielsweise auch Kinder- und Jugendaktionen
oder Bildungsveranstaltungen. Eine Besonderheit in der Diözese Eisenstadt. Das Jubiläumsjahr
war mit dem von Papst Franziskus ausgerufenen Heiligen Jahr der Barmherzigkeit zusammengefallen,
was auch inhaltlich besonders gut zusammenpasse, so der Bischof, denn die wegweisende
Spur des heiligen Martin ließen sich anhand dreier fundamentaler Wegmarken des christlichen
Unterwegsseins zum Ausdruck bringen: Spiritualität, Solidarität und Barmherzigkeit.
Eine Frucht dieses „doppelten“ Jubiläumsjahres: In möglichst vielen Pfarren soll es
nicht nur im Jubiläumsjahr, sondern auch in Zukunft „Abende der Barmherzigkeit“ geben,
kündigte der Bischof an.
Eines sei ihm noch wichtig zu betonen, so Zsifkovics: „Zum Ende des Jahres der Barmherzigkeit
werden die Heiligen Pforten nun wieder geschlossen. Das soll aber gerade nicht heißen,
dass die Kirche ihre Türen schließt. Wir haben in diesem Jahr unsere Türen und Herzen
weit aufgemacht und werden sie auch weiter offen halten.“
(kap 12.11.2016 sk)
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