„Begleiten“, „unterscheiden“, „integrieren“: Das sind die pastoralen Grundlinien,
die der Feldkircher Bischof Benno Elbs von der vatikanischen Familiensynode 2015 mit
zurück nach Österreich gebracht hat. Die drei Grundlinien sollen einen Kurs der offenen
Türen in der kirchlichen Ehe- und Familienseelsorge markieren, schreibt Elbs in einem
Buch mit dem Titel „Wo die Seele atmen lernt“. Der Feldkircher Bischof vertrat - gemeinsam
mit Kardinal Schönborn - die katholische Kirche Österreichs bei der letzten Synode.
Aufgabe der Kirche sei es erstens, die Menschen in ihren jeweiligen konkreten Lebenssituationen
wertschätzend zu begleiten. Der zweite wichtige Punkt nach dem „Begleiten“, den der
Bischof im „Kathpress“-Interview nennt, ist das „Unterscheiden“ – eigentlich ein Begriff,
der vom heiligen Ignatius von Loyola kommt. Er meint: Keine Pauschalurteile abgeben,
sondern genau auf die einzelnen Fälle in ihrer Unterschiedlichkeit schauen. „Ob eine
Familie in Syrien auf der Flucht ist oder in Wien lebt – das sind ganz unterschiedliche
Situationen, und die muß man deshalb auch ganz unterschiedlich bewerten.“ Die menschlichen
Lebenssituationen seien mit den Worten von Papst Franziskus „wunderbar komplex“, zitiert
Bischof Elbs.
Und der dritte Punkt: „Integrieren“. „Das heißt: Es ist wichtig, Menschen nicht auszugrenzen, sondern in eine Gemeinschaft mit hineinzunehmen. Wir wissen aus der Glücksforschung, dass das Dazugehören etwas ganz Wichtiges ist, und es ist die Aufgabe der Kirche, Menschen, die durch eine schwierige Lebenssituation, vielleicht durch eine Krise, hinausgefallen sind aus der Gemeinschaft, wieder hineinzunehmen und ihnen mit Respekt zu begegnen.“
Diese drei Punkte gilt es nach Ansicht von Bischof Elbs natürlich auch in der Frage
des Zugangs zu den Sakramenten zu berücksichtigen. Elbs wies auf das Prinzip der „Gerechtigkeit
im Einzelfall“ unter sorgfältiger Prüfung des eigenen Gewissens hin. Dazu brauche
es eine gute seelsorgliche Begleitung der Menschen. Der Empfang der Kommunion sei
keine Belohnung sondern „etwas, dass den Menschen auf seinem Lebensweg stärkt, wie
es Papst Franziskus ausdrückt“. Unter dieser Prämisse gebe es zumindest im Einzelfall
die Möglichkeit, zur Kommunion zu gehen, so Elbs, das sei für ihn klar. Der Feldkircher
Bischof wies in diesem Zusammenhang auf die vom Papst unterstütze Vorgangsweise argentinischer
Bischöfe in Umsetzung von „Amoris laetitia“ hin.
Die Teilnahme an der Synode habe ihn auch persönlich verändert, räumte der Bischof
ein. Er habe während der Synode auch Phasen der Verunsicherung erlebt, da so viele
verschiedenen Meinungen aufeinandergetroffen seien. Die Synode hatte viele kontroverse
Themen angesprochen: die Brüchigkeit von Ehen und Familien, das Zusammenleben auf
Probe, die Situation von Alleinerziehenden, Geschiedenen und Familien, die durch Armut,
Krieg oder Migration belastet sind.
Persönlich geholfen habe ihm in diesen schwierigen Situationen ein Wort des Papstes,
wo dieser über Inkulturation gesprochen habe: Es gehe darum, Antworten auf konkrete
Anfragen an konkreten Orten zu finden, und so könne auch die Aussage eines Bischofs
in einer bestimmten Situation für die Ohren eines anderen Bischofs in einer anderen
Situation wie ein Skandal klingen.
Er habe immer stärker gespürt, dass es letztlich in der Seelsorge darauf ankommt,
auf Jesus Christus zu schauen, betonte Elbs: „Er ist Vorbild und Motivation unseres
pastoralen Handelns.“ Die Haltung Jesu - Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe zu
den Menschen - gelte es einzuüben. Das sei wichtiger als die Erfüllung bestimmter
Gesetze, oder anders gesagt: Das Handeln Jesu ist uns „Gesetz“.
Der Bischof betont, dass man den synodalen Weg jetzt nicht sozusagen ad acta legen
darf, sondern dass das Durchdachte jetzt in die Wirklichkeit umgesetzt werden muss.
„Amoris laetitia“ sei nicht gleichsam das Enddokument eines abgeschlossenen Prozesses.
Mit den beiden Synoden, den im Vorfeld dazu durchgeführten Umfragen und dem Papstschreiben
sei vielmehr eine neue spirituelle Dynamik entstanden, die für die Kirche sehr wertvoll
ist. „Amoris laetitia“ sei also sicherlich „kein Dokument für die Schublade“. Ganz
im Sinne des Papstes würden nun in vielen Diözesen, so auch in Österreich, die seelsorglich
Verantwortlichen nach neuen Wegen suchen.
(kap 10.11.2016 sk)
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