2016-11-04 10:49:00

Warum das Sterben im Mittelmeer kein Ende nimmt


Neue Tragödie auf dem Mittelmeer: Vor der libyschen Küste sind am Mittwoch und Donnerstag zwei Boote gesunken, dabei kamen etwa 240 Migranten ums Leben. Immer mehr Tote fordert die Route übers Meer in Richtung Italien. „Das liegt daran, dass es einen spürbaren Umschwung gegeben hat: Die Europäische Union schließt einen Fluchtweg nach dem anderen zu“, sagt uns Leonard Doyle, Sprecher der Internationalen Migrantenorganisation IOM. „Das führt zu einer sehr gefährlichen Lage: Die Leute rasen sozusagen, um von Libyen aus noch übers Meer zu kommen, bevor das Tor für immer zufällt.“

Fünf Schiffe waren bei hohem Seegang in Sichtweite der Migranten, als diese in Seenot gerieten, und versuchten sie zu retten, koordiniert von der italienischen Küstenwache. Doch die meisten der Migranten ertranken. „Wir haben gesehen, dass die Massenmigration von der Türkei in die EU hinein von 10.000 Menschen im letzten Jahr zu nur noch einigen wenigen reduziert worden ist. Was wir jetzt erleben, ist dem Eindruck geschuldet, dass das früher oder später auch mit Libyen so geschehen wird.“

Allein im Oktober sind 27.000 Migranten per Schiff an Italiens Küste angelandet – diese Zahl liegt höher als die vom Oktober 2015 und 2014 zusammengenommen. Insgesamt erreichten dieses Jahr schon 158.000 Migranten die italienische Küste auf dem Seeweg. „Die Migranten sind fest zur Überfahrt entschlossen", sagt Doyle. „Aber wenn da Grenzkontrolleure und die Küstenwache unterwegs sind, ist die Überfahrt viel schwerer für sie. Die Menschen haben den Eindruck, dass ihnen immer mehr Kontrolleure die Passage abzuschneiden versuchen. Wir sehen das an der ganzen Küste Nordafrikas, nicht nur der libyschen, sondern zum Beispiel auch der ägyptischen. Aber von Libyen aus starten besonders viele; das liegt an den derzeitigen Schwierigkeiten des libyschen Staats.“

Zur Flucht entschlossen

Angeblich haben Menschenschmuggler auf libyscher Seite den Migranten gesagt, dass immer mehr Mitglieder der libyschen Küstenwache jetzt von EU-Ausbildern trainiert würden. Und das werde bald dazu führen, dass Migranten, die auf See aufgegriffen werden, nicht mehr nach Italien gelangen, sondern zurück nach Libyen.

Kirchliche Einrichtungen in Italien fordern immer wieder das Einrichten von humanitären Korridoren für Migranten. Aber dazu sagt der IOM-Sprecher: „Ich halte diese Option für unrealistisch. Sehen Sie sich doch mal den absoluten Abscheu an, mit dem quer durch Europa auf sogenannte illegale Migranten reagiert wird! Sie haben keine großen Aussichten darauf, dass ihre Asylanträge angenommen werden. Humanitäre Korridore wären interessant, werden aber kaum möglich sein beim gegenwärtigen Klima in Europa.“

Seeuntüchtige Boote

Was heißt das? Dass das Sterben auf See weitergeht, so Doyle. „Ich glaube, es wird wirklich schrecklich werden, denn immer mehr Verzweifelte werden dem Sturm und schlechten Wetter trotzen und dennoch versuchen, herüberzukommen, unter sehr unsicheren Bedingungen.“

Dass die Boote, in denen die Migranten übersetzen, immer seeuntüchtiger sind, hängt nach Doyles Eindruck damit zusammen, dass EU-Missionen viele Fischerboote zerstört haben, die von Menschenschmugglern genutzt wurden. Insgesamt sind dieses Jahr nach IOM-Angaben 4.220 Migranten im Mittelmeer beim Versuch der Überfahrt ums Leben gekommen. Die Zahl liegt jetzt schon höner als die Zahl der Todesopfer im gesamten Jahr 2015.

(rv 04.11.2016 sk)








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