2016-11-02 12:57:00

USA: „Es geht darum, den anderen niederzumachen"


Ethik und Moral haben im laufenden US-Präsidentschaftswahlkampf einen Tiefpunkt erreicht: Es gehe in erster Linie darum, „den anderen niederzumachen". Das sagt der in Graz lehrende katholische Sozialethiker und US-Fachmann Kurt Remele mit Blick auf den Schlagabtausch zwischen Donald Trump und Hillary Clinton. Das Fernsehen und die sozialen Medien hätten den Charakter von Wahlen im Laufe der Zeit verändert. Jeder Kandidat müsse heute ein Selbstdarsteller sein, der „seine Botschaft und auch seine Lügen in kurzen Soundbites publikumswirksam“ vermittle, so Remele im Interview mit den österreichischen Kirchenzeitungen.

Warum Donald Trump trotz vieler Verfehlungen nach wie vor Unterstützer hat, erklärte Remele mit einer Präferenz vieler rechtskonservativer Christen: Für Evangelikale, aber auch Katholiken stelle die gesetzliche Freigabe der Abtreibung, die Ermöglichung der „Ehe“ unter Homosexuellen und die Einschränkung des Waffenbesitzes „die weitaus größten, sogar einzigen gesellschaftlichen Übel dar". Diese Anliegen seien bei Trump besser aufgehoben, meinten sie. Aber auch andere Bevölkerungsgruppen, etwa Multimillionäre oder Konkurrenz fürchtende Modernisierungsverlierer stünden hinter dem republikanischen Kandidaten.

30 Prozent der Jungen konfessionslos

Zugleich wies der Sozialethiker darauf hin, dass Religion bei diesen US-Wahlen insgesamt keine besondere Rolle spiele. Die USA seien zwar immer noch ein religiöseres Land als die meisten europäischen Gesellschaften, aber auch dort gehe der Trend weg von organisierter Religion. 30 Prozent der unter 30-Jährigen in den USA gehören laut Remele keiner Religionsgemeinschaft mehr an und sähen sich als „Religionskomponisten", die ihre Weltanschauung aus verschiedenen Bestandteilen zusammenstellen. Auch die Zahl der Atheisten in den USA steige.

Zur Haltung der katholischen Bischöfe im Wahlkampf meinte Remele, die meisten seien von beiden Kandidaten wenig begeistert. Bei vergangenen Wahlen hätten sich vor allem rechtskonservative Bischöfe oft sehr stark in den Wahlkampf eingemischt und Kandidaten auf den Prüfstand in Bezug auf Abtreibung, Homosexuelle und Verhütungsmittel gestellt. Die jetzige Zurückhaltung hat laut Remele einerseits mit der problematischen Person Trumps zu tun, andererseits mit neuen Akzenten durch Papst Franziskus: Erst jüngst habe er den „reformoffenen" Erzbischöfen Blase Cupich von Chicago und Joseph Tobin aus Indianapolis die Kardinalswürde verliehen, nicht jedoch dem konservativen Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput.

(kap 02.11.2016 gs)








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