2016-10-31 13:47:00

Papstpredigt in Lund: Reformationsgedenken ist eine Chance


„Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch“: Über dieses Jesuswort aus dem Johannesevangelium (Kap. 15,4) predigte der Papst beim ökumenischen Gottesdienst von Lund. Franziskus würdigte Martin Luther als einen Christen, der die entscheidende Frage nach Gott neu ins Zentrum gestellt habe.

„Herr, hilf uns mit deiner Gnade, damit wir enger mit dir verbunden sind, um gemeinsam Glaube, Hoffnung und Liebe wirkungsvoller zu bezeugen.“ Katholiken und Lutheraner hätten „begonnen, auf dem Weg der Versöhnung voranzugehen“, so der Papst. „Jetzt haben wir im Rahmen des gemeinsamen Gedenkens der Reformation von 1517 eine neue Chance, einen gemeinsamen Weg aufzunehmen... Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurden. Wir haben die Gelegenheit, einen entscheidenden Moment unserer Geschichte wiedergutzumachen.“ Es gehe darum, „Kontroversen und Missverständnisse zu überwinden“ und mehr für die Einheit zu tun.

„Auch wir müssen liebevoll und ehrlich unsere Vergangenheit betrachten, Fehler eingestehen und um Vergebung bitten. Allein Gott ist der Richter. Mit der gleichen Ehrlichkeit und Liebe muss man zugeben, dass unsere Spaltung von dem ursprünglichen Empfinden des Gottesvolkes, das sich von Natur aus nach Einheit sehnt, weggeführt hat und in der Geschichte mehr durch Vertreter weltlicher Macht aufrecht erhalten wurde, als durch den Willen des gläubigen Volkes...“

Die Christen sollten sich nicht „zu Richtern der Geschichte aufwerfen“, so Franziskus mit einem Zitat seines Vorgängers Johannes Paul II.; das Ziel bestehe vielmehr darin, „besser zu erkennen und damit wahrheitsfähiger zu werden“. „Lassen wir uns durch den Blick Gottes innerlich anrühren – das Einzige, was er sich wünscht, ist, dass wir als lebendige Weinreben mit seinem Sohn Jesus verbunden bleiben. Mit dieser neuen Sicht der Vergangenheit beanspruchen wir nicht, eine undurchführbare Korrektur dessen zu verwirklichen, was geschehen ist, sondern wir beabsichtigen diese Geschichte anders zu erzählen“. Auch das war ein Zitat, diesmal aus dem ökumenischen Papier „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“.

Der Papst machte gedanklich einen weiteren Schritt: Natürlich sei die Spaltung der Christenheit „eine ungeheure Quelle von Leiden und Missverständnissen gewesen“. Doch habe sie durchaus auch ihr Gutes gehabt: „Sie hat uns auch zu der ehrlichen Einsicht geführt, dass wir getrennt von Ihm nichts vollbringen können, und uns zugleich die Möglichkeit gegeben, einige Aspekte unseres Glaubens besser zu verstehen. Dankbar erkennen wir an, dass die Reformation dazu beigetragen hat, die Heilige Schrift mehr ins Zentrum des Lebens der Kirche zu stellen.“

Dann kam Franziskus auf die geistliche Erfahrung Martin Luthers zu sprechen, die uns, wie er formulierte, auch heute noch „hinterfragt“. „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Das ist die Frage, die Luther ständig umtrieb. Tatsächlich ist die Frage nach der rechten Gottesbeziehung die entscheidende Frage des Lebens... Daher bringt die Rechtfertigungslehre das Wesen des menschlichen Daseins vor Gott zum Ausdruck.“ Wie sich der sündige Mensch vor Gott rechtfertigen kann, diese Unruhe Luthers war der gedankliche Auslöser der Reformation. Katholiken und Lutheraner haben sich in dieser Lehre, die jahrhundertelang kirchentrennend war, 1999 in einer bahnbrechenden Gemeinsamen Erklärung verständigt.

Der Papst rief alle Christen zu gemeinsamem Handeln für die Welt auf. „Gemeinsam können wir auf konkrete Weise und voll Freude die Barmherzigkeit Gottes verkünden und offenbaren, indem wir die Würde eines jeden Menschen verteidigen und ihr dienen. Ohne diesen Dienst an der Welt und in der Welt ist der christliche Glaube unvollständig.“

(rv 31.10.2016 sk)








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