2016-10-31 10:07:00

D: Luther war „Kommunikationsgenie“ und „printing native“


Der Reformator Martin Luther (1483-1546) war nach den Worten des Göttinger Historikers Thomas Kaufmann ein Kommunikationsgenie. Luther habe sich der in seiner Zeit modernen Medientechnologien rückhaltlos bedient und seine Ablassthesen bewusst über die enge universitäre Öffentlichkeit hinaus verbreitet, schreibt der Reformationsexperte am Montag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Auch später habe er im Konflikt mit Papst und Kaiser immer wieder die „publizistische Flucht nach vorn“ angetreten - schon um sein eigenes Leben zu retten.

Kaufmann betont, Luther habe bei der Veröffentlichung seiner Ablassthesen im Herbst 1517 „hochgradig bewusst und absichtsvoll“ gehandelt und seinen „gefährlichen Ideen“ eine breite Öffentlichkeit über Wittenberg und das Universitätsmilieu hinaus verschafft. „Auf Einsichten der kirchlichen Hierarchie vertraute er nicht.“ Dabei habe sich der Reformator anfangs weiterhin als loyales Mitglied der katholischen Kirche verstanden; es sei ihm darum gegangen, seine Kirche aus einer bedrohlichen Glaubwürdigkeitskrise zu befreien.

Kaufmann widerspricht damit einem von Luther später verbreiteten Selbstbild: „dass er nämlich in den Ablassstreit gleichsam hineingetappt sei“. Der evangelische Kirchenhistoriker wendet sich auch gegen die Argumentation des katholischen Kirchenhistorikers Erwin Iserloh, der 1961 als erster Historiker die Erzählung vom Thesenanschlag an die Wittenberger Schlosskirche in Zweifel gezogen hatte. Iserloh hatte dabei erklärt, Luther habe zuerst die Verständigung mit seinen Kirchenoberen gesucht und die Öffentlichkeit geradezu gescheut. Luther, so Kaufmann, sei vielmehr ein virtuoser Publizist, ein „printing native“ gewesen.

(kna 31.10.2016 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.