Aktenzeichen Hubert Roos, Gründer und Präsident des deutschen katholischen Blindenwerks - 90 Jahre
Belesen, bescheiden, beliebt, beharrlich, großmütig, hilfsbereit, international geschätzt.
Dies sind nur einige der Eigenschaften mit denen Michael Rembeck in seiner Festschrift
die Persönlichkeit und das Wirken des Juristen Dr. Hubert Roos anlässlich seines 90.
Geburtstages beschreibt. Besser könnte man das bisherige Leben und Wirken kaum zusammenfassen.
Am 12. Juni 1926 in Frankfurt geboren, hat Hubert Roos eine unbeschwerte Kinder- und
Jugendzeit im Elternhaus. Schon ab dem elften Lebensjahr wehrt er sich gegen das Verbot
der katholischen Jugendbewegung durch die Nazis. Er hilft Blinden im Straßenverkehr
und bringt von Verfolgung bedrohten jüdischen und kommunistischen Mitbewohnern heimlich
Lebensmittel. Nach dem Abitur wird er 1944 zum Wehrdienst einberufen. Bis dahin hilft
er immer wieder die kritischen Hirtenbriefe des Bischofs Graf von Galen aus Münster
zu verbreiten, indem er sie von Hand abschreibt. Als Hubert Roos im April 1945 auf
dem Weg nach Hause durch eine Trittminenexplosion verletzt wird, verliert er sein
Augenlicht, was seinen weiteren Lebensweg wesentlich mitbestimmt.
Doch lässt er sich durch die Kriegserblindung nicht entmutigen und erlernt die Blindenschrift
und das Schreiben mit der Schreibmaschine. Er studiert die Staats- und Rechtswissenschaften,
legt das große Staatsexamen ab und wird als Dr. Jura mit Auszeichnung promoviert.
1953 tritt der Jubilar in die Dienste des Magistrats der Stadt Frankfurt, wo ihm schließlich
die Leitung des Rechtsamtes übertragen wird. Während seiner Dienstzeit doziert er
Verwaltungsrecht und gibt manchem Berufsanfänger das notwendige Rüstzeug für einen
gelingenden Berufsweg mit. Als er 1986 den Ruhestand wählt, hat er keineswegs die
Absicht, sich zur Ruhe zu setzen. In der Kanzlei seiner Ehefrau Renate arbeitet er
als Rechtsanwalt mit. Auch bleibt er Beisitzer im neunten Senat des Bundes- und Sozialdienstes.
Vor allem aber ist es die ehrenamtliche Arbeit, die den Jubilar nicht ruhen lässt.
Wenngleich hier nicht der Rahmen ist der Vielschichtigkeit und des Facettenreichtum
der langjährigen und andauernden ehrenamtlichen Arbeit von unserem Jubilar zu beschreiben,
so seien hier doch einige wenige Stationen und Institutionen aufgezählt, die durch
sein Wirken geprägt worden sind und für die er noch immer einsteht. Erstens, 1969
konstituiert sich unter der Leitung von Dr. Roos das deutsche katholische Blindenwerk.
Zweitens, einen großen Stellenwert nimmt die nachhaltige Arbeit von Dr. Roos für Blinde
in Asien, Afrika, Zentral- und Südamerika und in Europa ein. Drittens, die Vereinbarung
zwischen Dr. Roos und Kardinal Jäger für die Weiterführung des Blindenschriftverlages
Pauline von Mallinckrodt.
*Herr Dr. Roos wie viel Zeit musste vergehen, ehe sie sich mit Ihrem Schicksal einigermaßen
oder auch endgültig abgefunden haben?
„Ja, also da kann ich Ihnen sagen, die erste Zeit nach der Verwundung durch eine Miene
war natürlich furchtbar schlimm für mich, aber heute sage ich merkwürdigerweise wurde
ich mit dem Sanitätskraftwagen in ein Reservelazarett transportiert und dieses Reservelazarett
war betrieben von Ordensschwestern. Die Ordensschwestern haben sich in vorbildlicher
Weise um mich gekümmert und haben natürlich erkannt, das ich als Katholik betroffen
worden bin und haben sich natürlich alle Mühe gegeben mich zu dem nächsten Pfarrer
zu bringen und sich mit mir unterhält um mir irgendwelche trostreichen Gedanken an
die Hand gibt, damit ich mein Schicksal ertragen könnte.“
*Eine sehr große Rolle hat natürlich der Glaube gespielt in ihrem Leben. Haben Sie
nie mit dem Herrgott gehadert?
Roos: „Nein, in keiner Weise. Das muss ich Ihnen sagen und zwar ist es so, dass ich
im Grunde genommen Tag für Tag durch gute Menschen, die mir als Begleitpersonen dienten
und mir halfen, gemerkt habe, es gibt Menschen, denen ist es ein Bedürfnis einem schwerbehindertem
Menschen zu helfen und im Grunde genommen habe ich dann rückgeschlossen, dass tun
sie nur, weil sie einem kirchlichem Glauben haben.“
*Sehen bedeutet Herr Dr. Roos allgemein einen Überblick haben, sich orientieren können,
mit anderen Menschen Kontakt haben. Wenn diese Eigenschaften durch Blindheit nicht
mehr gegeben sind, führt das unweigerlich zur Einsamkeit?
„Also da haben Sie recht, dass führt normalerweise zur Einsamkeit, aber Sie müssen
bedenken, ich war im Dritten Reich, in der sogenannten verbotenen katholischen Jugend
und als ich als Blinder nach Hause kam, wieder in meine Pfarre St. Bernardus in Frankfurt
am Main, da habe ich den Kontakt zu den Leuten aufgenommen, die mich kannten von Jugend
an. Dadurch war ich gleich in einem Jugendkreis tätig und man hat mich sogar, bis
dann Leute kamen, die älter waren als ich, zum Vorsitzenden eines Arbeitskreises gemacht.
Ich habe auch in der Pfarrei Vorträge gehalten, so gut ich es damals vermochte. Ich
hatte ja noch kein Studium hinter mir.“
*Wer also blind ist, der muss ganz andere Methoden zur Gestaltung des alltäglichen
Lebens entwickeln, denke ich, bei dem sich alle übrigen Sinne stärker ausbilden. Wie
ist das in Ihrem Falle?“
„Ja, also da haben Sie vollkommen Recht, man muss sich auf diese Situation einstellen
und muss also alles so ordnen, auch im Hause, dass man sich selbst orientieren kann.
Ich wohne glücklicherweise in einem Haus, in dem zwölf Zimmer sind, das ist mein Eigentum
und da kenne ich mich vom Keller bis zum Dach aus. Dort kann ich alleine gehen und
kann mich ohne fremde Hilfe bewegen, das ist sehr wichtig. Allerdings halte ich mich
an den Geländern der Treppe immer fest, damit ich nicht stürze, das ist halt eben
eine Einstellung, die muss man sich erwerben. Man muss sich denken, wenn ich keinen
Handlauf habe, dann ist eine Treppe eine gefährliche Sache.“
*Welche sind nun die größten Probleme für einen blinden Menschen, ist es die Abhängigkeit
von fremder Hilfe, teilweise Hilflosigkeit oder sind es die Angstzustände?
„Ich habe keinerlei Angst, weil ich sehr viele Menschen um mich habe, auch in der
Kirche. Ich war vierzig Jahre lang Vorsitzender des deutschen katholischen Blindenwerkes,
das in Bonn seinen neuen Sitz hat. Früher war es in Düren. Dadurch habe ich Kontakte
und ich habe auch immer wieder Leute gefunden, die mich geführt haben und bereit gewesen
sind, mir zu helfen.“
*Blinde Menschen, heißt es, haben häufig ein überdurchschnittliches Gedächtnis, ist
das eines der Geheimnisse, die Ihnen beim Aufbau Ihres internationalen Hilfswerkes
für Blinde zur Seite standen?
„Ja, alle Male. Ich habe sehr viele Dinge verinnerlicht, da ich ja einmal gesehen
habe und die Weltkarte studiert habe, war es für mich kein Problem die Dinge einzuordnen.
Südamerika, Brasilien, Argentinien, Chile, wo wir überall tätig gewesen sind. Genauso
ging es auch Mittelamerika, weil ich das alles geistig im Grunde genommen immer ungefähr
im Bilde vor mir hatte. Genauso Afrika, wo wir heute noch sehr viele Positionen haben
und den Menschen in Blindenschulen helfen. In aller Regel sind das Priester und Ordensleute,
die sich da um die Blinden kümmern. Wir verlangen auch immer von jedem, der einen
Antrag stellt, dass er zunächst einmal eine Befürwortung seines zuständigen Bischofs
vorlegt, und wenn wir die haben, werden wir erst aktiv.“
Ich hätte noch eine letzte abschließende Frage, Sie haben sich trotz Erblindung eine
große Anerkennung erwerben können, welche Eigenschaft hat dabei eine ganz besondere
Rolle gespielt.“
„Ja, das kann ich Ihnen sagen. Weil ich meine Frau als Unterstützung hatte. Meine
Tätigkeit ist auch durch einen päpstlichen Orden abgeschlossen worden und ich bin
von Johannes Paul II. persönlich gesegnet worden. Er hat vor mir gestanden und ich
habe mich an ihn gewandt: ‚Sagen Sie, ich bin der Vorsitzende des deutschen katholischen
Blindenwerks, neben mir steht meine Frau.’ Er hat darauf erwidert: ‚Ach, darf ich
Sie segnen?’ Er hat uns gefragt: ‚Haben Sie denn Kinder?' Wir haben vier Kinder, drei
Söhne und eine Tochter. Er hat mich dann gesegnet und mir ein Kreuz auf die Stirn
gemacht und auch meiner Frau, hat mir die Hand gegeben und mich verabschiedet. Das
war damals die Seligsprechung der Pauline von Mallinckrodt."
Dieses Gespräch kann nur einen unvollständigen Einblick in das langjährige ehrenamtliche
Wirken des Jubilars geben. Die erwähnten Eigenschaften mögen ihn als Mensch nicht
zu erfassen. Es sind aber nicht nur die hier aufgereihten Aktivitäten, die sein Wirken
ausmachten, man kann seine ungebrochene Tatkraft und seine stete Zuversicht nur erahnen,
die ihn unermüdlich diese selbstlose Arbeit verrichten lassen. Wer Hubert Ross begegnet,
so der Festredner Michael Rembeck, sieht sich einem freundlichen, aufgeschlossenem
und aufrechtem Mann gegenüber der Vertrauen erweckt und spüren lässt, dass er seinen
Mitmenschen gegenüber wohl gesinnt ist. Sein Leben in christlicher Haltung ist erfüllt,
von Klarheit im Denken und Handeln, von Verlässlichkeit und Bewusstsein, Hilfsbereitschaft
und Arbeitsfreude. Selbstbewusst und von der Notwendigkeit der Selbsthilfe überzeugt
lebt Hubert Roos den Satz von Mutter Pauline von Mallinckrodt: „Liebe will getan sein.“
ap
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