2016-10-18 15:10:00

Kampf gegen Menschenhandel: Lokal und global


Wiederholt hat Papst Franziskus den weltweiten Menschenhandel als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilt. Mindestens 25 Millionen Menschen sind laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) weltweit Opfer von Menschen- und Organhändlern, müssen Zwangsarbeit leisten und werden als Haus- oder Sexsklaven missbraucht. Der Vatikan setzt beim Kampf gegen das globale Phänomen auf globale und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Dabei versucht man einerseits, auf Ebene der Institutionen für das Problem zu sensibilisieren und dagegen mobil zu machen. Andererseits geht es um Hilfsprojekte und Prävention vor Ort in den Ländern, aus denen die Opfer kommen.

Prävention und Ursachenbekämpfung, opferzentriert

„Für uns ist zentral, dass man an die Wurzeln geht, dass man die Ursprünge dieses Handels bekämpft, dass man mehr Aufklärungsarbeit leistet“, sagt Martina Liebsch. Sie ist Leiterin des Grundlagenreferates bei Caritas Internationalis. Dieses Anliegen wurde etwa auf einer Konferenz zum Thema Menschenhandel umgesetzt, die der Caritas-Dachverband zusammen mit dem Päpstlichen Migrantenrat im vergangenen September in Nigeria organisierte. Viele der nach Europa gehandelten Frauen kämen aus Nigeria, so Liebsch. Die Konferenz sollte so einerseits die Akteure der Hilfsarbeit vor Ort besser vernetzen und andererseits der Aufklärung dienen. Dies funktioniere am besten, indem man Opfer des Menschenhandels zu Wort kommen lasse: „Wir hatten zwei Personen dabei, die von ihrer Geschichte erzählt haben. Das hat viele sehr bewegt. Man kann immer wieder feststellen: Wenn Opfer gut begleitet werden, stellen sie ihre Lebensgeschichte zur Verfügung. So hat es eine Person genannt, die uns sagte: Es gibt ein Leben nach dem Opfer-Sein, und ich möchte meine Geschichte erzählen, um andere aufzurütteln oder auch potentielle Opfer davor zu warnen, was passieren kann.“

Am Anfang stehe nicht selten die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und Entscheidungen, die aus bitterer Not heraus getroffen würden, so Liebsch: „Oft fängt ja die Kette des Menschenhandels eigentlich mit Hilfe von Freunden aus der Familie an, sogar Verwandten oder den Eltern, die aus Not ihre Kinder oder Töchter verkaufen oder ihre jungen Männer auf den Weg schicken, ohne eigentlich zu fragen, was dahinter stecken könnte.“ Mittlerweile seien in vielen afrikanischen Staaten vor allem in ländlichen Gegenden Menschenhändler aktiv, berichtet die Expertin. Dort sei die Armut größer als in den Städten und die Menschen wüssten auch weniger um mögliche Gefahren, wenn sie sich auf Schlepper oder unbekannte Arbeitgeber einließen: „Das heißt, der Handel bewegt sich auch dahin, wo man sozusagen eine Basis findet, die natürlich in Armut, aber auch in Mangel an Information gegründet ist. Da liegt eine große Aufgabe für die Kirche und die kirchlichen Organisationen, einfach nah an den Menschen zu arbeiten, mit den Gemeinschaften zu arbeiten, um dort mehr Klarheit und mehr Aufklärung zu verbreiten.“ Caritas Internationalis informierte so bei ihrem jüngsten Projekt in Nigeria über mögliche Spielarten des Phänomens vor Ort wie etwa den Handel mit Kindern, sexuellen Missbrauch und Arbeitsversklavung, das Schlepperwesen und Menschenhandel auf dem Meer.

Neben dieser Aufklärungsarbeit seien weitere Maßnahme gegen den Menschenhandel die Armutsbekämpfung und Entwicklungsarbeit, erinnert Liebsch. Vor allem junge Menschen gingen in Nigeria heute vom Land in die großen Städte oder träumten von einer besseren Zukunft in Europa. Um dieser Landflucht entgegenzuwirken, müsse man die Lebensbedingungen vor Ort verbessern und auch attraktiver machen, und zwar langfristig. „Letztlich kommt es darauf an, gerade wenn es um ländliche Gebiete geht, zu sagen: Landwirtschaft muss aufgewertet werden. Ich habe einen Universitätsprofessor aus Nigeria getroffen, der sagt: Viele junge Leute wollen das einfach nicht mehr machen, das wird auch sehr niedrig bewertet, hat keinen Status.“ Neben Nigeria unterhält Caritas Internationalis nach eigenen Angaben Projekte gegen Menschenhandel in Elfenbeinküste, Uganda, Simbabwe und Mali. Auch im Senegal will man demnächst tätig werden.

Global Bewusstsein um Mitverantwortung fördern

Der weltweite Menschenhandel sei „lukrativ“, so Liebsch weiter: Der finanzielle Gewinn aus diesen illegalen Geschäften belaufe sich jährlich auf ungefähr 32 Milliarden US-Dollar – weit mehr, als vom weltweiten Drogenhandel abfällt. Um das Phänomen einzudämmen, müsste man deshalb auch die Finanzinstitute stärker in die Pflicht nehmen, die die Gewinne aus dem perfiden Geschäft verwalten, so die Leiterin der Grundlagenabteilung von Caritas Internationalis. Der Papst hatte etwa auch Strafen für jene gefordert, „die sich am Menschenhandel mitschuldig machen“. Liebsch denkt hier an Banken, die vor den dubiosen Geschäften ihrer Kunden die Augen verschließen: „Das ist ein Thema, wo man noch genauer hingucken muss. Hier bräuchte man die Zusammenarbeit von Bankinstituten. Da wären vielleicht auch Leute, die geahndet werden müssten, um mit den Worten des Papstes zu sprechen: Wo wird Geld reingewaschen? Wie wird dieses Geld im Umlauf gehalten? Das kann es nur, wenn es keine klaren Kontrollen gibt oder wenn wiederum Leute weggucken. Wenn ich denke, was eine zentrale Lösung wäre, um Menschenhandel zu bekämpfen: Man müsste diese Geldflüsse trockenlegen!“

Für den Caritas-Dachverband ist der Kampf gegen Menschenhandel schon seit 15 Jahren ein Thema. Begonnen habe man mit Projekten für Opfer des Menschenhandels in Europa, inzwischen betrachte man das Phänomen aus weltweiter Sicht. Dass Papst Franziskus Menschenhandel und moderner Sklaverei den Kampf angesagt und zahlreiche Vatikaninitiativen dazu auf den Weg gebracht hat, freut Liebsch. Dadurch sei die Arbeit von Caritas Internationalis befeuert worden: „Wir klinken uns in diese Bewegung ein und waren natürlich sehr froh, dass der Kampf gegen Menschenhandel an höchster Stelle befördert wird, denn in den Anfängen unseres Netzwerkes konnten wir natürlich feststellen, dass es manchmal nicht so einfach war, diese Arbeit zu leisten. Viele derer, die sich mit dem Thema beschäftigten, fühlten sich manchmal alleingelassen, weil es eben keinen so starken Aufruf von Seiten der Kirche gab, jedenfalls nicht als Gesamtheit.“

Der Vatikan hat bereits Religionsvertreter, Lokalpolitiker, Sicherheitsbeamte, Richter und Juristen im Kampf gegen Menschenhandel mobilisiert. Warum also nicht demnächst auch Akteure aus der Finanzwelt in den Vatikan einladen, um für das Phänomen zu sensibilisieren?, schlägt Liebsch vor.

(rv 18.10.2016 pr)








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