2016-10-14 09:31:00

„Lutherjahr sollte auch ökumenische Fortschritte bringen“


Der emeritierte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl plädiert dafür, das anstehende Reformationsgedenken nicht nur als Festjahr zu begehen, sondern es zu nutzen, um der Ökumene einen neuen Schwung zu geben. Konkret erhofft sich der Ökumene-Experte Fortschritte bei der Frage der Eucharistiegemeinschaft: Ein gemeinsames Papier zu der Frage sei „längst überfällig“ - schließlich seien die theologischen Vorarbeiten schon weit gediehen, „aber es fehlt die letzte Konsequenz“. Für diese erhoffe er sich nun den Rückenwind des Reformations-Gedenkjahres, so Krätzl im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress.

Konkrete Fortschritte seien um so dringlicher, wenn man bedenke, dass der zentrale, bis dato kirchentrennende Stolperstein - die Frage der Rechtfertigung - mit einer gemeinsamen Erklärung bereits 1999 aus dem Weg geräumt wurde. Damals habe Kardinal Walter Kasper die Hoffnung geäußert, dass ein ähnliches Dokument zur Eucharistie bald folgen könne, erinnerte sich Krätzl. Nachdem nun 17 Jahre ins Land gegangen seien, sei es dringend Zeit, an dieses ökumenische Ziel zu erinnern: „Ich glaube, da ist das kommende Luther-Jahr ein guter Ansporn, in diese Richtung einen Schritt weiterzugehen.“

Der Klärung harre außerdem noch die Frage, was überhaupt das Ziel der Ökumene heute sei, so der Weihbischof weiter. „Das scheint heute nicht mehr so klar zu sein - und auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort.“ Insgesamt hoffe er, dass das Reformationsgedenken auch ein „Jahr der Besinnung“ werde, in dem sich alle christlichen Konfessionen gleichermaßen fragen sollten, welchen Anteil an der Reformation sie selbst verantworten hätten. „Insofern halte ich auch Bußgottesdienste für richtig, da an der Reformation viele gleichermaßen 'schuld' hatten und Leid verursacht haben.“

Die Nachrichtenagentur Kathpress sprach außer mit Weihbischof Krätzl auch mit dem lutherischen Bischof Michael Bünker – schließlich naht der 31. Oktober, der Reformationstag, an dem das Gedenken an den Beginn der Reformation ins entscheidende Jahr geht. Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht haben, vor genau 99 Jahren somit; das Datum gilt als Initialzündung der Reformation. Doch Bünker sagt, Glückwünsche zum Jubiläum nehme er zwar gerne entgegen, zum Geburtstag seiner Kirche wolle er sich aber freilich nicht gratulieren lassen. Denn: „Die Geburtsstunde der evangelischen Kirche war nicht 1517, sondern zu Pfingsten vor rund 2.000 Jahren, und das gilt für alle Kirchen der Welt!“

Die Vorbereitung auf das Jahr 2017 laufen in den evangelischen Kirchen schon seit Jahren. Das Jahr 2013 stand innerkirchlich im Zeichen der Diakonie, 2015 wurde ein ganzes Jahr lang die Bildung in den Mittelpunkt gestellt und 2017 ist es schließlich das „Jahr des Glaubens“. Damit seien drei wesentliche Pfeiler des reformatorischen Anliegens auch schon beschrieben, erläuterte der Bischof.

Zwei Aspekte, die die evangelischen Kirchen dabei in besonderer Weise auszeichnen würden: Freiheit und Verantwortung. „Wie lebt man als Christ die Freiheit eines Christenmenschen, wie übernimmt man in rechter Weise Verantwortung für sich selbst, den Mitmenschen und schließlich für die ganze Welt?“

Im Zuge des Reformationsjubiläums solle vor allem aber auch deutlich werden, „was die zahlenmäßig kleine Minderheit der Evangelischen in Österreich für diese Land und die Gesellschaft nicht alles leistet“, so Bünker. In besonderer Weise solle dies auch beim großen Reformationsfest auf dem Wiener Rathausplatz am 30. September 2017 zum Tragen kommen. Dabei sollen vor allem auch die Themen Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung im Mittelpunkt stehen.

Bünker ist nicht nur lutherischer Bischof von Österreich, sondern auch Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). In dieser Funktion ist er u.a. auch für die europaweiten Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum mitverantwortlich. Er betont den universellen Charakter des Reformationsgedenkens. „Die Reformation gehört nicht den Deutschen und nicht den Europäern, sondern der ganzen Welt.“ Weltweit sei das Christentum im Wachsen, und so auch die evangelische Kirchen. Um diese weltweite Dimension sichtbar zu machen, wird der Lutherische Weltbund, dem 145 Kirchen angehören, die mehr als 72 Millionen Menschen vertreten, die nächste Vollversammlung im Mai 2017 in Windhuk/Namibia abhalten.

Auf die ökumenische Dimension des Reformationsjubiläums angesprochen, bekräftigte Bünker einmal mehr, dass bei aller Feierlichkeit zugleich auch das Bedauern über die Kirchenspaltung und die damit einhergehende gegenseitige Gewalt im Mittelpunkt stehen müsse. „Wir sollten einander auch unsere Schuld eingestehen“, sagte der Bischof. Zugleich gelte es dankbar auf den ökumenischen Dialog der vergangenen Jahrzehnte zu blicken. Inzwischen habe sich auch in der katholischen Kirche ein neues Luther-Bild etabliert.

(kap 14.10.2016 sk)








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