2016-10-08 10:10:00

Das geteilte Aleppo, ein neues Berlin


Ganz Syrien bittet um Frieden: In dieser Woche sind es die Kinder, die sich in einer Petition an die EU und die UNO wenden. „Peace for Children“, so der Name der Initiative, sammelt in Schulen Unterschriften und wird auch von den Christen im Land mit getragen. Teil der Initiative ist auch ein Gebets- und Begegnungstag an diesem Sonntag, der trotz des jüngsten Selbstmordattentates im Norden des Landes mit über 20 Toten stattfinden wird.

Joseph Tobji ist maronitischer Bischof von Aleppo, der in diesen Monaten am meisten umkämpften und leidenden Stadt. „Die Menschen leben mit dem Tod“, berichtet er aus seinem Bistum. „Man weiß nie, wann und ob man von einer Bombe oder einer Kugel getroffen wird.“ Und dann zieht er einen Vergleich mit der Geschichte Deutschlands: „Aleppo ist in zwei Teile geteilt, es ist leider wie ein neues Berlin. Der Ostteil wird von den Terroristen und der Westteil von der Regierung kontrolliert. Die meisten Menschen, etwa eineinhalb Millionen, leben im Westteil, auch die meisten von uns Christen. Im Ostteil leben noch 250-300.000 Menschen. Diese Teilung bringt Schießereien und Bombardierungen mit sich, überall.“ Und immer noch seien es vor allem die Unbeteiligten, die den Preis bezahlen müssten. Die armenisch-katholische Kirche sei vor kurzem getroffen worden, eine maronitische Kirche gebe es schon längst nicht mehr, berichtet Tobji von der Situation der Christen in der Stadt.

Der Bischof spricht von Terroristen, wenn er die Gegner des Regimes Assad meint, das ist ein Unterschied zu den Medienmeldungen in Europa. „Sie im Westen sprechen immer von Rebellen, aber für uns sind sie, weil wir hier im Ostteil wegen ihrer Angriffe sterben, Terroristen. Jeden Tag haben wir mindestens zehn Beerdigungen.“

Syrien ist für die Großmächte wie eine Torte, zum Aufteilen

Dabei sei es dann nicht mehr wichtig, ob sie sich Daesh, IS oder Nusra nennen würden, Namen gäbe es Tausende, aber alle hätten dieselbe Ideologie. „Das ist ein extremer Fanatismus, der alles andere ablehnt und ein Reich errichten will, den ‚Islamischen Staat’, ein Kalifat: Wir oder nichts, das ist die Devise. Die meisten der Muslime hier in Syrien akzeptieren diese Ideologie nicht, weder die Sunniten noch die Schiiten. Das kommt von außen.“ Deswegen sei es auch möglich, interreligiös für den Frieden zu arbeiten. Da wachse unter den Trümmern etwas: „Wir Bischöfe treffen Imame und Muftis und setzen uns gemeinsam für den Frieden ein und für das Wohlergehen der Leute. Auch sie lehnen die Ideologie ab. Ab und zu wird zu einem Treffen von Jugendlichen oder einer Pfarrei ein Scheich dazugeladen, oder wir gehen zu ihnen. Wir kennen uns gegenseitig.“

Alles, was man wolle, sei, als souveräner Staat anerkannt zu werden und die Probleme selber lösen zu dürfen, das sei auch die Intention der Unterschriftenaktion. „Wir wollen keine Spielfiguren in den Händen der Mächtigen sein. Die Pläne für den Krieg stammen schon aus der Zeit vor 2011, das ist sehr klar, dafür gibt es auch Beweise. Syrien ist im Visier der großen Mächte, wie eine Torte zum Aufteilen. Dieser Krieg dient auch den wirtschaftlichen Interessen des Westens.“

(rv 08.10.2016 ord)








All the contents on this site are copyrighted ©.