2016-10-02 17:11:00

Franziskus in Aserbaidschan: Religionen müssen Weg zum Frieden ebnen


Recht gelebte Religionen können den Weg zum Frieden ebnen, wo Politik und Diplomatie scheitern. Das sagte Papst Franziskus zum Abschluss seiner Kaukasusreise vor Muslimen, Juden und orthodoxen Christen in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Bei der herausragenden Begegnung in der „Heydar Aliyev“-Moschee würdigte Franziskus den Stand des Dialogs und die herzliche Zusammenarbeit der Religionen im Großen und im Kleinen in dem Kaukasus-Land.

Es war das erste Mal, dass ein Oberhaupt der katholischen Kirche in einer Moschee vor Muslimen, Juden und Christen eine Rede hielt. Bereits Franziskus' Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hatten Moscheen besucht. Franziskus war in Istanbul und in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik in einer Moschee gewesen. Doch bisher fanden solche Besuche stets ohne offizielle Rede statt.

„Hier zusammen zu sein, ist ein Segen“, sagte der Papst eingangs und dankte dem Scheich der kaukasischen Muslime als Gastgeber sowie den Würdenträgern der orthodoxen Kirche und der jüdischen Gemeinden. Vor ihnen skizzierte Franziskus die gemeinsamen Aufgaben, die Religionen – alle Religionen – haben: den Menschen zu begleiten und ihm begreiflich zu machen, dass seine eigenen Fähigkeiten „und die Güter dieser Welt niemals zu absoluten Größen werden dürfen“. Religion, das sei für den Menschen ein Kompass. Sie habe zugleich „eine Erziehungsaufgabe, nämlich zu helfen, das Beste des Menschen zum Vorschein zu bringen. Und wir tragen als Leiter eine große Verantwortung, der Suche des Menschen, der sich heute oft in den schwindelerregenden Paradoxien unserer Zeit verliert, echte Antworten zu bieten.“

Zwei extremistische Strömungen des Areligiösen treten in unseren Tagen hervor, führte Franziskus aus. Zum einen der Nihilismus, der Glaube an nichts außerhalb des eigenen Vorteils, zum anderen der Fundamentalismus jener, „die mit verbaler und tätlicher Gewalt extreme und radikalisierte Haltungen durchsetzen wollen, die denkbar weit entfernt sind vom lebendigen Gott“. Eine wachsame Gesellschaft könne beide Gefahren in Schach halten.

Um seine Vorstellung einer solchen „ehrbaren Verbindung zwischen Gesellschaft und Religionen“ zu illustrieren, griff Franziskus auf ein in Aserbaidschan weit verbreitetes Kulturgut zurück: jene alten und kostbaren Glasfenster namens Shebeke, die allein aus Holz und Glas bestehen, nicht aber aus Leim oder Nägeln.

„Holz und Glas werden zusammengehalten, indem sie in langer, sorgfältiger Arbeit ineinander verschachtelt werden. So hält das Holz das Glas, und das Glas lässt Licht einfallen. Genauso ist es Aufgabe jeder Zivilgesellschaft, die Religion zu unterstützen, die das Einfallen eines zum Leben unerlässlichen Lichtes ermöglicht. Und darum ist es notwendig, der Religion eine wirkliche und echte Freiheit zu garantieren. Es dürfen also nicht die künstlichen „Klebstoffe“ verwendet werden, die den Menschen zwingen zu glauben, indem man ihm ein bestimmtes Credo aufoktroyiert und ihn seiner Entscheidungsfreiheit beraubt, und es dürfen in die Religion auch nicht die äußeren „Nägel“ der weltlichen Interessen und der Macht- und Geldgier eindringen.“

Gott dürfe unter keinen Umständen für egoistische Zwecke angerufen werden, fuhr der Papst fort. „Noch einmal erhebt sich von diesem so bedeutungsvollen Ort aus der herzzerreißende Ruf: Niemals mehr Gewalt im Namen Gottes! Sein heiliger Name werde angebetet, nicht geschändet und verschachert von Hass und menschlichen Gegensätzen.“

Und Franziskus rief die Angehörigen anderer Religionen und Konfessionen zu Gebet und Dialog auf. Es gehe da nicht um einen „versöhnlichen Synkretismus“ noch um eine „diplomatische Offenheit, die zu allem Ja sagt, um Probleme zu vermeiden“, sagte der Papst unter Rückgriff auf sein Lehrschreiben „Evangelii gaudium“, sondern es gehe einzig darum, mit den anderen zu sprechen und für alle zu beten: „das sind unsere Mittel, um Liebe aufkommen zu lassen, wo Hass herrscht, und Vergebung, wo Verletzung  schmerzt, damit wir nicht müde werden, Wege des Friedens zu erflehen und zu gehen.“

Es sei „nicht der Moment gewaltsamer und schroffer Lösungen, sondern die drängende Stunde, geduldige Prozesse der Versöhnung einzuleiten. Die wirkliche Frage unserer Zeit ist nicht die, wie wir unsere Interessen verfolgen können, sondern welche Lebensperspektiven wir den kommenden Generationen bieten, wie wir eine Welt hinterlassen können, die besser ist als die, welche wir empfangen haben. Gott und die Geschichte selbst werden uns fragen, ob wir uns heute für den Frieden eingesetzt haben.“

Und der Papst äußerte die Hoffnung, dass die Religionen „in der Nacht der Konflikte, die wir durchmachen, Morgenröte des Friedens, Samen der Wiedergeburt unter den Verwüstungen des Todes“ seien. Sie solle „Wege der Begegnung und der Versöhnung“ beschreiten, „um dorthin zu gelangen, wo die offiziellen Vermittlungsversuche keinen Erfolg zu erzielen scheinen“.

Der Großmufti des Kaukasus, Scheich Allahschükür Paschazade, war dem Papst davor in einer privaten Unterredung begegnet. Bei seiner Ansprache dankte er Franziskus für seine Versuche, die im Westen gerne gezogene Verbindungslinie zwischen Islam und Terrorismus aufzubrechen. Auch der Scheich verwies auf das gute Zusammenleben der Religionen in Aserbaidschan. Er würdigte darüber hinaus den Einsatz der Regierung, das Erbe der Religionen für die zukünftigen Generationen zu erhalten.

Als Gastgeschenk überreichte der Scheich dem Papst einen Koran und einen Gebetsteppich. Das heilige Buch der Muslime  der küsste der Scheich ehrfüchtig, ehe es sie dem Gast gab. Franziskus nahm den Koran mit einer Verneigung an. Als zweites Geschenk erhielt der Papst einen Teppich. „Zum Beten?“, fragte Franziskus. Darauf antwortete der Großmufti mit einer Geste in die Gebetsnische der Moschee: „Der hier ist für uns, dieser für Ihre Heiligkeit.“ - Franziskus revanchierte sich mit einem kleinen Mosaik der römischen Engelsburg.

(rv/kna 02.10.2016 ah)








All the contents on this site are copyrighted ©.