2016-09-23 09:35:00

Kongo: Eine fast karikaturenhafte Konfrontation


Was ist eigentlich im Kongo los? Leider die übliche Geschichte: Ein Autokrat will nicht von der Macht lassen, dagegen gehen Menschen auf die Straße, und es kommt zu Gewalt. Die Zusammenstöße und Plünderungen, die Kinshasa am Montag und Dienstag erlebt hat, waren die schlimmsten seit anderthalb Jahren, mehrere Dutzend Menschen – vor allem junge Demonstranten – ließen dabei ihr Leben.

„Das war eine plötzliche Eskalation, aber der Kontext ist doch ziemlich klar“, sagt im Interview mit Radio Vatikan Thierry Vircoulon; der französische Forscher ist Spezialist für Zentralafrika. „Der Verfassung entsprechend müssten eigentlich bis zum Jahresende Präsidentenwahlen stattfinden, aber das hat die Regierung sabotiert. Parallel dazu läuft ein nationaler Dialog, den die Afrikanische Union auf die Beine gestellt hat. Er soll einen Konsens über das Abhalten der Wahlen zwischen der regierenden Partei und der Opposition herstellen. Diese Explosion der Gewalt nun hängt mit diesem nationalen Dialog zusammen: Die Menschen im Kongo haben den Eindruck, dass die Dialogpartner die Wahlen auf einen sehr entfernten Zeitpunkt verschieben werden oder dass das Ganze sowieso auf einen Verzicht auf die Wahlen herauslaufen könnte.“

Diesen Eindruck haben auch die Bischöfe, die im Kongo traditionell eine Art demokratisches Wächteramt übernehmen, weil die Kirche gemeinhin die angesehenste gesellschaftliche Gruppe im Land ist. Die Bischöfe haben jedenfalls ihre Teilnahme am nationalen Dialog suspendiert. Sie stellen mehrere Bedingungen, um an den runden Tisch zurückzukehren: Der jetzige Präsident Joseph Kabila soll auf eine erneute Kandidatur verzichten, weil sie der Verfassung widerspricht. Und für die Wahlen soll ein konkretes Datum genannt werden.

„Die Gewalt, die wir erlebt haben, ist nicht die erste im Zusammenhang mit dem Wahlprozess; vorher kam sie im Januar 2015 auf, als die Regierung versuchte, das Wahlrecht zu ändern, um sich an der Macht zu halten. Wir erleben also eigentlich ein Fortschreiben der Spannung und den Anfang einer sehr, sehr gefährlichen Krise im Kongo. Die Interessenlage ist sehr klar: Die Opposition besteht auf dem Abhalten der Wahlen bis zum Jahresende, so wie von der Verfassung vorgesehen, und der Präsident will einfach am Ruder bleiben. Das ist eine fast karikaturenhafte Konfrontation zwischen denen, die einen Wechsel wollen, und denen, die ihn nicht wollen.“

Der UNO-Sicherheitsrat appelliert an die Menschen im Kongo, Ruhe zu bewahren, und betont, wie wichtig das Abhalten von Präsidentenwahlen „im Respekt der Verfassung“ sei. Es war ein Zusammenschluss mehrerer Oppositionsgruppen, der am Montag zur Demonstration gegen Kabila aufgerufen hatte. Auch nach der Gewalt vom Wochenbeginn will die Opposition den Protest weiter auf die Straße tragen, weitere Kundgebungen organisieren.

„Das zeigt, wie satt die kongolesische Bevölkerung Kabila inzwischen hat. Dieser Überdruss ist meiner Meinung nach von der Opposition nur schwer zu kontrollieren; im Januar 2015 hatten wir ja gesehen, dass da die Gewalt losging, obwohl die Opposition noch gar nicht Stellung bezogen hatte. Die Kongolesen setzen auf die Straße, weil sie sich endlich ihre Geschichte wieder aneignen wollen, nach drei gescheiterten Versuchen der Demokratisierung. Seit zehn Jahren haben sie ein Regime, das in keiner Weise ihre Lebensbedingungen verbessert hat.“

Doch die Demonstranten auf der Straße lehnten nicht nur das Regime ab, sondern auch alle Oppositionspolitiker, die irgendwelche Kompromisse mit dem Regime einzugehen bereit sind, so der Experte. „Sie wollen jetzt keine Übergangszeit, bei der Kabila weiter am Steuer bleiben könnte, sondern Wahlen so schnell wie möglich! Und die Bischöfe haben diese Bedingungen der Menschen auf der Straße klar aufgegriffen. Allerdings wäre es gar nicht möglich, noch schnell bis zum Jahresende Wahlen zu organisieren. Dazu hätte man der Wahlkommission rechtzeitig staatliche Mittel bereitstellen müsssen, man hätte die Wähler registrieren und eine ganze Reihe weiterer Vorbereitungen treffen müssen. Das haben die Behörden aber nicht getan.“

(rv 23.09.2016 sk)








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