2016-09-03 09:55:00

Türkei: Kleine christliche Gemeinde - erstaunliche Wirkung


Die Kirche in der Türkei leistet Erstaunliches – trotz ihrer kleinen Zahl und geringer Mittel. Diese Überzeugung hat der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick bei einer Reise in das Land gewonnen, die an diesem Freitag zu Ende ging. Sechs Tage war der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz im Land, gegenüber Radio Vatikan berichtet er von seinen Besuchen bei Bischöfen, Ordensgemeinschaften und katholischer Flüchtlingshilfe. „Der stärkste Eindruck war, dass diese kleine Kirche Großes leistet“, so Schick. „Und das hat natürlich auch positive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Die christlichen Werte, die vermittelt werden, die gehen ja auch über die Christen hinaus und wirken sich in der Gesellschaft aus. Die Christen bilden dort sehr kleine Gruppen, halten aber doch sehr gut zusammen und bringen dann wirklich Erstaunliches zustande. Das hat mich gefreut und das ist der stärkste Eindruck, den ich mit nach Hause gebracht habe.“

Ihre Minderheitensituation in der Türkei nähmen die Christen sehr gelassen, so Schick. Das bewundere er, schließlich machten sie gerade einmal 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Die große Mehrheit der Bevölkerung verstehe sich ganz klar als islamisch, was sich auch auf gesetzlicher Ebene bemerkbar mache:

Eine kleine Minderheit

„Es darf keine Missionierung stattfinden, man darf nicht den Eindruck erwecken, Proselytismus zu betreiben. Das ist gesetzlich verboten. Aber in den Innenräumen sind die Christen frei, sie können ihre Gottesdienste feiern, sie können ihre Katechesen halten, für Erstkommunion, Firmung und Ehevorbereitung. Das können sie alles machen. Nach Außen wirken ist schwierig. Und deshalb sind sie ja auch in der Türkei für die Christen zuständig, die aus dem Irak, Syrien, aber auch von Ländern Afrikas in die Türkei geflüchtet sind. Für die sind sie zuständig und derer nehmen sie sich auch gut an.“

Schick besuchte in Istanbul eine Schule der Salesianer Don Boscos für syrische und irakische Flüchtlingskinder. Bei diesen handelt es sich fast ausschließlich um Christen, weil sich die Kirche unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht um muslimische Flüchtlinge kümmern kann und weil die christlichen Flüchtlinge in noch weit höherem Maße auf die Hilfe der Kirche angewiesen sind, die sie woanders nicht erhalten. „Die Religionen werden schon bei der Aufnahme getrennt. Die Christen suchen dann auch christliche Zentren, und finden die auch in Istanbul, Izmir, da wissen die Christen auch von Mund zu Mund-Propaganda, wo etwas ist und kommen dann dort hin. Sie finden dann Räume zum Beispiel bei den Salesianern und auch bei den Pfarreien in Izmir. Dort können sie sich aussprechen, finden auch ganz konkrete Hilfe, zum Beispiel medizinische, oder die Kinder bekommen Spielmöglichkeiten und Schulen. Die meisten wollen in die USA oder nach Australien, sie lernen dort Englisch. Es gibt Geflüchtete, die Lehrer waren im Irak oder in Syrien und die sich als Lehrer dort zur Verfügung stellen. Mit kleinen Mitteln sehr spontan, sehr engagiert, wird wirklich Erstaunliches geleistet.“

Mit kleinen Mitteln

Durch die Flüchtlinge und Migranten im Land wächst zudem die Zahl der Christen, beobachtet Schick: „Es kommen dort Gastarbeiter hin aus Afrika, Polen oder der Schweiz, die beleben auch die bestehenden Gemeinden wieder neu. Es bilden sich auch charismatische Gruppen vor allen Dingen von den Afrikanern. Die Ordensleute, die Franziskaner, Kapuziner aber auch die Vinzentiner, die leisten eigentlich erstaunlich gute Arbeit in jederlei Hinsicht. Und das ist bei uns gar nicht so bekannt. Das ist auch sehr unterstützenswert, was sie dort in der Gesellschaft mit ihren kleinen Mitteln zustande bringen.“

Bei seiner Türkei-Reise traf der Weltkirche-Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz auch den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. Schick weist die türkischen Schlagzeilen über eine angebliche Beteiligung am Putschversuch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zurück. Die nationalistische Zeitung „Aksam“ hatte Bartholomaios I. vorgeworfen, er paktiere mit dem Prediger Fethullah Gülen, dem Erzfeind Erdogans.

„Ich habe Bartholomaios I. ja wieder persönlich besucht. Und habe auch mit Verantwortlichen gesprochen. Die sehen diesen Vorwurf erst einmal sehr gelassen. Der ist von einer einzigen Zeitung erhoben worden und die Quellen, auf die sich diese Zeitung beruft, denen haben alle widersprochen. Und man hört auch seit zwei Tagen schon gar nichts mehr davon. Aber es ist deshalb absurd: Bartholomaios I. hat sich nie direkt in die Politik eingemischt, genauso wenig wie die ganze griechische Kirche in der Türkei. Das ist auch unmöglich für diese kleine Gruppe und Bartholomaios und die Christen sind auch immer staatstreu gewesen. Das heißt, die Regierung, die gewählt wurde, die haben sie auch akzeptiert mit allen Schwierigkeiten, die es da auch gegeben hat. Von daher ist dieser Vorwurf aus der Luft gegriffen und ich habe auch den Eindruck, dass den niemand so richtig ernst genommen hat.“

 

(rv 03.09.2016 cz)

 








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