2016-08-20 09:00:00

Santiago de Compostela: Auf dem Weg zum Ziel und zu sich selbst


Seit 1.200 Jahren sind sie unterwegs, die Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Vor 1.200 Jahren genau sind die Gebeine des Apostels Jakobus nach Santiago übertragen worden, seitdem wird dort gebetet, und seitdem ist der Ort an der Nordost-Spitze Spaniens eines der beliebtesten Ziele des Betens. So will es jedenfalls die Tradition. Am 25. Juli 816 soll das gewesen sein, vielleicht auch etwas früher, vielleicht auch etwas später; auf jeden Fall nachdem der Eremit Pelayo auf dem so genannten Sternenfeld – el Campo de las estrellas, Compostella – eine Erscheinung des Jakobus gehabt hatte, der damals so gut wie vergessen war, bei der Rechristianisierung Spaniens danach aber eine große Rolle spielen sollte.

Doch anders als andere mittelalterliche Riten und Gebräuche erfreut sich das Pilgern dorthin weiterhin größter Beliebtheit: Es wächst eher, als dass es abnimmt. Wenn sich auch die Formen geändert haben - es ist professioneller, und allgemein pilgert man nur noch eine Richtung, nicht mehr wie früher die ganze Strecke auch zurück. „Pilgern heißt nicht einfach irgendeinen Ort aufsuchen, um seine Naturschönheiten, Kunstschätze oder seine Geschichte zu bewundern. Pilgern bedeutet vielmehr, aus uns herauszutreten, um Gott dort zu begegnen, wo er sich offenbart hat, wo sich die göttliche Gnade mit besonderem Glanz gezeigt hat.“ Papst Benedikt XVI. war im November 2010 in Santiago, um das Pilgern und den Ort zu würdigen.

Aber auch wenn sich die Form des Pilgerns geändert hat: Die Faszination des Pilgerns, des Betens mit den Füßen, ist geblieben. Unsere Kollegin Pia Dyckmans hat mit zwei Pilgern gesprochen, dem Ehepaar Monika und Reinhold Hanna, die beide in der IT-Branche arbeiten.

Beten ohne Anliegen

Pilgern sei wirklich ein anderes Beten.In Kirchen bete man meisten mit einem Anliegen, sagt Reinhold Hanna. „Wenn man pilgert, hat man zunächst überhaupt kein Anliegen. Man läuft in ein Vakuum rein, in dem man dann zu sich selber findet.“ Die entstehende Zwiesprache mit Gott könne man gar nicht steuern. Genauso wie die Erfahrungen des Pilgerns selbst, fügt Monika Hanna an. Eigentlich wollten sie gar nicht zum Beten kommen, eigentlich wollten sie nur lange Strecken zu Fuß gehen, eigentlich. Erst unterwegs seien sie von Wanderern zu Pilgern geworden.

Ein Erlebnis, von dem man sein restlichen Leben profitiert, so fasst es Monika Hanna zusammen. Sie empfehlen, den Weg von der eigenen Haustüre aus los zu gehen, man komme dann auch schnell in die Stimmung des Pilgerns hinein, selbst wenn man keine Hunderte von Kilometern entfernt sei. Sie könnten die Erfahrungen und Gedanken vom Weg dann auch zuhause abrufen, sie blieben erhalten.

Auf dem Jakobsweg könne man lernen, das eigene Leben besser zu leben, fügt Reinhold Hanna an. Auch die nicht so schönen Sachen gehörten halt dazu, wie die Blase beim Laufen. Man müsse die Erfahrung aber auch wirklich machen wollen, nicht einfach irgendwie in zehn Tagen absolvieren und planen, man müsse sich darauf einlassen.

Behutsam zurück in den Alltag

Schwierig wird es erst dann, wenn die Pilger wieder zurück kommen: Der Wiedereintritt in den Alltag ist nicht einfach. Das muss behutsam geschehen, damals wie heute.

Diese Dimension des Erfahrens ist sehr deutlich auch bei Papst Benedikt zu hören gewesen, als er 2010 dort war. „Die Beschwerlichkeit des Gehens, der Abwechslungsreichtum der Landschaft, die Begegnung mit Personen anderer Nationalität machen sie offen für das, was uns zutiefst und gemeinsam mit den Menschen verbindet: Wir sind Wesen, die auf der Suche sind, Wesen, die der Wahrheit und Schönheit bedürfen, der Erfahrung von Gnade, Liebe und Frieden, Vergebung und Erlösung. Und ganz tief verborgen in all diesen Menschen hallen Gottes Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes wider. Ja, jeder Mensch, der in seinem Inneren still wird, der betet, den erleuchtet Gott, damit er ihm begegne und Christus erkenne. Wer nach Santiago pilgert, tut das im Grunde, um vor allem Gott zu begegnen”.

(rv 20.08.2016 ord/pdy)

 

 

 

 

 

 








All the contents on this site are copyrighted ©.