2016-08-12 10:45:00

Chile: Mapuche, Staat und Konzerne streiten um das beste Land


Siebzehn Kirchen hat es in Chile getroffen, katholische und auch protestantische: Sie fielen Brandanschlägen im Süden des Landes zum Opfer. Zugerechnet wird das radikalen Vertretern der Ureinwohner des Landes, der Mapuche, die gegenwärtig für ihre Rechte streiten. Aber die offiziellen Vertreter der Mapuche verurteilen diese Anschläge; die Kirche stehe nicht wie behauptet auf der Seite der Großgrundbesitzer, heißt es, sie sei vielmehr in den Dialog zwischen Mapuche und der Regierung in der Region Araucanía sehr konstruktiv einbezogen.

Unser Kollege Luis Badilla ist Chilene und beobachtet die Situation im Land von jeher intensiv. „Was man sich dort erzählt, ist, dass der Dialog – auch wenn er nur einen sehr langsamen Fortschritt macht – einigen Vertretern des Agro-Business nicht gefällt, vor allem den Landbesitzern. Die Absicht dieser Angriffe auf Kirchen ist es nun, den Dialog und diese Fortschritte der vergangenen Jahre durch das Wiederholen von Mapuche-Aktionen aus früheren Jahren zu destabilisieren.“

Für diese Interpretation spreche auch, dass die Anschläge die Mapuche selber genauso träfen wie die übrige Bevölkerung. Die Mapuche seien in der Regel katholisch, und die Kirche wende sich ihnen ganz intensiv zu; es gebe auch Bischöfe, die dieser Volksgruppe entstammen. „Die Kirche ruft nun dazu auf, zu unterscheiden zwischen den ersten Attacken, die man wirklich den Mapuche zuschreiben kann, und den letzten, die eher den anarchisch-sozialistischen Charakter von politischen Extremisten haben.“

Zwei-Nationen-Staat Chile

Die Forderung der Mapuche besteht vor allem darin, dass der Staat Chile sie als Nation anerkennt und sich selber dementsprechend als binational bezeichnet. „Das würde bedeuten, dass es eine Gleichstellung in Rechten und Möglichkeiten gibt“, erklärt der Experte Badilla. „Aber eine zweite Frage ist wahrscheinlich die wichtigere: 1880 sind die Mapuche von Chile, das aus der Kolonisierung durch Spanien hervor gegangen ist, unterworfen worden und haben nur noch in der Region Araucanía leben dürfen, und zwar unter unmenschlichen Lebensbedingungen. Sie wurden also enteignet, und hier ist das tiefer gehende Problem: Grund und Boden.“

Bei diesem Grund und Boden gehe es nicht um irgendwelches Land, sondern um das beste Weideland Chiles, um mediterranes Klima, wo man alles anbauen könne, was man wolle. Davon gebe es im Land gar nicht viel, Chile sei sehr lang, und die Hälfte bestehe aus Wüste oder Eis. „Araucanía liegt im südlichen Zentrum des Landes; auf das Land haben vor allem die transnationalen Konzerne ihr Auge geworfen, nicht nur die Grundbesitzer Chiles.“

Der Staat dürfe jetzt auf keinen Fall irgendeiner Erpressung nachgeben, sagt Badilla, weder der Erpressung durch Gewaltakte noch der Erpressung durch politische oder wirtschaftliche Interessen. Stattdessen müsse der Dialog intensiviert werden mit dieser Bevölkerung, die immerhin zwölf Prozent aller Chilenen ausmache. Nach fünf Jahren und vielen abgebrannten Kirchen könne man außerdem nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, auch hier brauche es noch viel Dialog.

(rv 12.08.2016 ord)








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