2016-08-10 13:28:00

Weltsozialforum: „Wir müssen uns neu erfinden“


„Wir brauchen eine andere Welt“ – unter diesem Motto findet dieses Jahr das Weltsozialforum (WFS) in Montreal statt. Zwischen 50.000 und 80.000 globalisierungskritische Aktivisten aus der ganzen Welt treffen sich dort bis Sonntag, um über Probleme wie Migration, Klimawandel und Ausbeutung zu disktuieren. Auch kirchliche Organisationen wie das katholische „Fastenopfer“ aus der Schweiz oder „Brot für die Welt“ nehmen teil. Erstmals findet das Treffen in einer Industriestadt des Nordens statt. Radio Vatikan fragte den Generalsekretär der teilnehmenden internationalen Allianz katholischer Entwicklungsorganisationen (CIDSE), Bernd Nilles, warum die Wahl auf Montreal gefallen ist.

„Weil sich die Probleme der Menschheit nicht mehr so leicht trennen lassen nach dem Motto: Das sind die Probleme des Nordens, und das sind die Probleme des Südens. Genau wie Papst Franziskus in (seiner Enzyklika) Laudato si' von einer großen Krise spricht, die uns alle erfasst hat, nämlich einer sozialen und ökologischen Krise, genauso spiegelt sich das in Montreal beim Weltsozialforum wieder. In Kanada etwa wird massiv CO2 produziert durch die Ölsandproduktion, und kanadische Bergbauunternehmen sind in allen Teilen der Welt damit beschäftigt, Ressourcen aus der Erde zu holen. Und darunter leiden dann die Menschen in Honduras oder dem Kongo. Wir als katholische Hilfswerke arbeiten sehr intensiv mit diesen lokalen Gemeinschaften zusammen, die betroffen sind von den Auswirkungen der Globalisierung, den Auswirkungen des Abbaus von Rohstoffen, was oft mit großer Gewalt stattfindet.“

Das Weltsozialforum ist 2001 als eine Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos entstanden. Es fand bislang immer in südlichen Ländern, etwa in Städten wie Porto Alegre oder Tunis, statt. Nun also Montreal in Kanada: Dort will man noch stärker die Industrieländer mobilisieren und nördlichen Regierungen die Auswirkungen ihres Handelns auf den Süden vor Augen halten. Die Organisationen wollen vor allem den Opfern der Globalisierung eine Stimme geben, aber auch auf die immer schwierigeren Bedingungen der Helfer hinweisen.

„Wir beobachten mit großer Sorge, dass immer mehr Umweltschützer verfolgt und ermordet werden; immer mehr Nichtregierungsorganisationen leiden unter Restriktionen weltweit, rechtlich, aber auch mit Gewalt. Es gibt wahnsinnig viele Menschen auf der Welt, die wollen eine andere Politik, ein Leben in Harmonie mit der Umwelt, in Solidarität – aber sie werden verfolgt. Und das ist etwas, was wir auch als Kirche sehr genau beobachten, denn auch viele kirchliche Helfer in Asien, Afrika und Lateinamerika sind bedroht in ihrer täglichen Arbeit.“

Eine Stimme, die die katholischen Helfer immer bestärke, sei die von Papst Franziskus. Sie zeige auch den säkularen Bewegungen und anderen Glaubensrichtungen, dass es einer gemeinsamen Strategie bedarf, um etwas zu ändern:

„Papst Franziskus macht das auf besondere Weise und mit viel Herz. Er hat die sozialen Bewegungen, die Slumbewohner, die Arbeiter getroffen, die Umweltbewegung mehrfach erwähnt und unterstützt als wichtigen Akteure. Und durch diese Treffen wird ganz viel in Bewegung gesetzt. Es ist eine sehr motivierende Kraft, die da entsteht für alle die, die sich in dem Bereich engagieren…Wie Laudato si' sagt: Wenn wir nicht Orte schaffen für Dialog, in denen wir die Welt neu denken und erfinden können, wo wir Entwicklung neu definieren können... Letztendlich müssen wir doch feststellen, dass wir dieses Entwicklungsmodell im Wesentlichen auf dem Verbrennen von natürlichen Ressourcen, von Kohle und Öl aufgebaut haben. Wir müssen uns quasi neu erfinden. Und dafür müssen wir Räume schaffen. Das machen wir als Kirche, aber auch als kirchliche Akteure, mit anderen Glaubensrichtungen und säkularen Gruppierungen hier in Kanada und darüber hinaus.“

Nach Nilles müsste eine neue Kultur des Teilens geschaffen werden, die verhindert, dass nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung in Reichtum lebt und die Ressourcen kontrolliert. Globalisierung sei nicht grundlegend abzulehnen, und schon gar nicht sei die Antwort auf die Globalisierung das Errichten von Mauern. Vielmehr gelte es, die Globalisierung neu zu definieren, so Nilles.

„Wir bewegen uns - trotz aller Klimagipfel und internationaler Versprechungen - immer noch im falschen Wirtschafts- und Entwicklungsmodell. Das heißt, wir müssen mehr Offenheit haben, unsere Gesellschaft, Politik und Wirtschaft neu zu denken. Unser Modell auch zu überdenken. Und wir müssen unsere Lebensstile grundlegend verändern: Wie wir reisen, wie wir Urlaub machen, konsumieren und essen.“

(rv 10.08.2016 cz)








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